Elizabeth II.: Das Leben der Queen
TV-Ansprache der Queen, was seinerzeit in England in der aufgewühlten Stimmung fast unterging. Zwei Tage zuvor hatte Mutter Teresa noch wissen lassen, sie werde für Dianas ewige Ruhe beten.
Innerhalb der royalen Tradition und erst recht gegenüber derDistanz, mit der die Queen den Menschen gegenüber zu treten pflegt, war der Diana-Touch, diese taktile Qualität, ein absolutes Novum. Die Prinzessin war sich dessen nur zu bewusst, als einer Quelle der Stärke in ihrer ansonsten tief lädierten Persönlichkeit. Ein deutlicher Beleg dafür findet sich in dem Interview mit ihr, das die französische Zeitung «Le Monde» Ende August 1997, nur wenige Tage vor ihrem Tod, veröffentlichte. «Weil ich viel näher bei den Menschen unten bin als bei denen oben», sagte sie, «können mir Letztere nicht verzeihen. Nichts gibt mir mehr Freude, als den Verwundbarsten in der Gesellschaft zu helfen. Dies ist Ziel und hinfort wesentlicher Teil meines Lebens. Eine Art Schicksal. Ich werde aufsuchen, wen immer ich in Not weiß, wo immer er sein mag.»
Näher bei den Menschen unten – das war auch ein zentraler Teil von Dianas Vermächtnis. Schon in den Tagen nach ihrem Unfalltod konnte man auf handschriftlichen Tributen, am Kensington oder am Buckingham Palast mit Blumen abgelegt, Botschaften lesen wie: «Diana war die wahre Royal, sie verstand die einfachen Menschen.» Auch Tony Blair erwähnte in der Stegreifansprache in seinem Wahlkreis Sedgefield noch am Sonntag von Dianas Tod diese spezifische Qualität, als er sagte: «Sie berührte das Leben von so vielen, in Großbritannien und in der ganzen Welt. [...] Wie oft werden wir uns an sie erinnern in ihren verschiedenen Situationen – mit den Kranken, den Sterbenden, mit Kindern, mit Menschen in Not.» Selber unerfüllt in der Liebe, war es Diana gelungen, bedingungslose Liebe zu gänzlich Unbekannten zu projizieren – die Fähigkeit einer charismatischen Persönlichkeit. Im Lager von Prinz Charles sah man in all dem eher einen Propagandatrick Dianas, um ihr öffentliches Image weiter aufzupolieren und die Medien für sich einzunehmen. Auch wurde nach dem exzessiv beweinten Tod ihr Bild in der Öffentlichkeit durch ein Übermaß an Sentimentalität eingetrübt. Doch im Abstand der Jahre hat sich Dichtung von Wahrheit geschieden, und wir erkennen jenseits der damaligen Verstörung ein faszinierendes Muster aus alter Zeit.
Denn hinter der Fähigkeit einer königlichen Hoheit, die Menschen zu berühren, wird die thaumaturgische Wirkung des Königtumssichtbar – dem Monarchen schrieb man seit Alters her Wunderkräfte zu, bestimmte Krankheiten durch Berührung zu heilen, etwa die Skrofulose, eine Halsdrüsenerkrankung. Bis weit in die Neuzeit wurden die französischen und englischen Könige als Wunderheiler verehrt. Erst im 18. Jahrhundert endete in beiden Ländern die Ausübung des Heilkultes und damit auch der Glaube an sein Charisma. Noch bis zur Herrschaft Georges III. (1760–1820) enthielt das Gebetbuch der anglikanischen Kirche eine liturgische Feier für die Heilung der Kranken durch den König.
Ein Jahr nach dem Tod der Prinzessin von Wales erschien in England ein Buch mit 1600 volkstümlichen Texten und Gedichten, eine Anthologie der Huldigung einfacher Menschen an die Verstorbene für ihre Generosität, Kranke und Verwundete nicht nur gerührt, sondern auch physisch berührt zu haben. Es belegte schlagend die Wirkung von Dianas Credo, «näher bei den Menschen unten» sein zu wollen. Die meisten Dokumente sprechen vom
common touch
als der Signatur ihrer Persönlichkeit und unterlegen der Beschreibung nicht selten christliche Bilder wie «den vom Himmel gesandten Engel, der die Kranken und Sterbenden umarmte». Martin Amis, der englische Romancier, schrieb, Diana «konnte berühren und fühlen», vielleicht habe sie sogar selber geglaubt, «sie könne auch heilen». Gewiss war es Autosuggestion, wenn manche Menschen meinten, sie seien tatsächlich durch die Berührung mit der Prinzessin von Wales geheilt worden, von welchem Leid auch immer. Das ist hier nicht der Punkt. Bemerkenswert bleibt, dass die Frau im Zentrum dieser Verehrung in einer mythischen Tradition des Königtums stand, ohne dass sie selber sich dessen bewusst gewesen sein wird. Jedenfalls muss man zur Beurteilung des Rätsels Diana auch dieses historische Muster heranziehen, als zusätzliche Erklärung ihrer Magie zu Lebzeiten und ihrer Nachwirkung seither. In dem Wort
touchy-feely,
das seit Diana als
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