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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Leprakranke, Landminenverwundete und die Übersehenen der eigenen Gesellschaft, vor allem Kinder, denen sie viele ihrer karitativen Tätigkeiten widmete. Sie machte sich nahbar und verschmolz so mit einem Zeitgefühl, das sich aus der Tradition der Zurückhaltung,dem britischen
restraint,
zu befreien suchte. Das Verströmen der Gefühle in der Woche nach dem Unfalltod der Prinzessin wurde zur Demonstration dieser Symbiose, die Diana in ihrer kurzen Laufbahn vorgelebt hatte, eine neue Art von emotionaler Intelligenz.
    Intelligenz? Das bestreiten viele. Sie beschreiben das
Touchy-feely
-Königreich, wie es sich heute darbietet, fast als Karikatur seiner selbst. Mehr als alle anderen Bereiche der Gesellschaft sind davon die Medien befallen, die aus menschlichen Geschichten Kreuzzüge der Sentimentalität zu machen verstehen. Da wird das Mitfühlen-Können verordnet wie eine «degradierte Form der Therapiekultur», wie ein bekannter britischer Bühnenkomiker, David Baddiel, es formuliert hat; viele beklagen, es falle ihnen zunehmend schwer, sich der Betroffenheitsmanie zu entziehen. Kein Kriminalfall, der unter den Tiefstrahlern der medialen Therapeuten nicht zu einem Testfall für triefende, an Heuchelei grenzende Anteilnahme wird. Von Diana lernen heißt Auflage machen, könnte man zynisch resümieren.
    Aber das sind Phänomene, die in fast allen westlichen Gesellschaften Einzug gehalten haben. Hier interessiert vor allem, welche Folgen der Trend zur «Vermenschlichung» für die Monarchie gehabt hat. Auf eine kurze Formel gebracht: eher positive. Die älteste Institution des Landes erlebte dank der Prinzessin von Wales, der man auf dem Höhepunkt des Zerwürfnisses den Titel «Königliche Hoheit» entzogen hatte, einen lange überfälligen Lernsprung. Wie Diana königliche Hoheit gegen die Hoheit des Menschlichen, Allzumenschlichen eintauschte, das war ein Fingerzeig, auf den die Modernisierungsstrategen im Buckingham Palast, die sich bezeichnenderweise «The Way Ahead Group» nennen, der Weg nach vorn, ohne Nachhilfe kaum gekommen wären.
    Gewiss, die Monarchie hatte schon vor Diana erste Schritte der Öffnung vollzogen. Die Queen machte die seit Jahrhunderten von ihren Vorgängern gesammelten Kunstschätze als «Royal Collection» mit regelmäßigen Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich; das Fernsehen bekam immer häufiger Zutritt, und selbst die Dysfunktionalität, die sich in nicht endenden ehelichen Missgeschickender königlichen Familie abspielte, war eine Öffnung – eine Augenöffnung: Die Windsors sind wie du und ich, nicht gegen ein Scheitern menschlicher Beziehungen gefeit. Die Geschichte war längst über Walter Bagehot, den großen Verfassungstheoretiker des 19. Jahrhunderts, hinweggegangen, der davor gewarnt hatte, «das Tageslicht in die Magie des Königtums eindringen zu lassen». Es war eingedrungen, und wie, aber das Königtum stand noch, Bagehots Befürchtungen zum Trotz.
    Die beschriebenen Öffnungen waren freilich nur ein bescheidener Schritt auf dem «Weg nach vorn». Gegenüber dem Diana-Touch musste der Hof den Vorwurf zu entkräften versuchen, er sei auch emotional
out of touch,
habe die Berührung mit wirklichen Menschen verloren. Das führte jetzt zu einer ganzen Reihe von Neuerungen im Pflichtenkalender der Queen. Sie kehrte in der Sozialwohnung einer Glasgower Familie zum Teetrinken ein, traf sich mit den Redakteuren der «Financial Times» zum Lunch in der City, besuchte das Monetary Policy Committee der Bank of England, schaute sich in Radio- und TV-Studios um und traf im Verlag Bloomsbury dessen Vorzeigeautorin J. K. Rowling. Sogar zu Touristenorten ihres Königreichs ließ Elizabeth an einem Wochenende einzelne Mitglieder ihrer Familie ausschwärmen, zur Werbung für «Visit Britain», die amtliche Tourismusagentur des Landes. Auch die Lunch-Termine, bei denen sie selber als Gastgeberin fungiert, wurden erweitert um Treffen mit ausgewählten Gruppen der Gesellschaft – Frauen als Unternehmern etwa, ethnischen Minderheiten, Leitungsfiguren in den Medien, sogar Amerikanern in Großbritannien. Antennen in alle Richtungen. Der Buckingham Palast wurde elektronisch umgerüstet für die Bedürfnisse des Fernsehens, 1997 ging man online, Facebook und Twitter sind hinzugekommen. Elizabeth lässt wissen, sie sei quasi mit ihrem Computer verschmolzen, könne ohne ihn nicht mehr leben, nicht mehr schreiben. Mit 85 Jahren hat sie, wenn der Anschein nicht trügt, den Anschluss an die

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