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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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sich für die Queen an, die bedenklichste ihrer bisherigen Regentschaft überhaupt. Der Film «The Queen» hat das sich entfaltende Drama gut erfasst. Wie anders und politisch hellsichtiger reagierte damals Tony Blair, der sich noch am Todestag selber spontan an die Spitze der öffentlichen Betroffenheit stellte und dabei das gelungene Wort von «The People’s Princess» fand.
    Doch das Königshaus musste und muss sich nicht an den Reflexen der Politik messen lassen. Im Übrigen hatte die Queen bei anderen Gelegenheiten durchaus verstanden, was zwischen der Krone und dem Volk auf dem Spiel stand und welche Reaktion ein Moment der Krise verlangte – etwa Ende 1992, als sie ohne langes Zögern einwilligte, auf das Privileg der königlichen Steuerfreiheit, eine große Irritation in den Augen der Gesellschaft, zu verzichten. Aber diesmal verließ ihre Intuition sie vollends, vielleicht weil sie in Fragen von Gefühlen immer nach dem Prinzip der
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verfahren war – «du darfst nicht weinen», hatte ja eine der ersten Lektionen der jungen Lilibet gelautet – und eine öffentliche Demonstration privater Trauer für sie daher auf keinen Fall in Frage kam. So tauchten die Windsors, während die Massen in noch niegesehener Bewegung ihren Gefühlen nachgaben, in den Bunker ihres traditionellen Schweigens ab und verharrten im schottischen Norden, unbewegt.
    Die Hofsprecher fanden zunächst eine handliche Erklärung: Die Monarchin wolle in dieser Stunde bei ihren Enkeln bleiben und die beiden Jungen über den grausamen Verlust der Mutter trösten. Es entlastete die Queen leider gar nicht. Welche Ironie: Hatte man Elizabeth nicht lange genug vorgeworfen, sie vernachlässige über ihren Staatsgeschäften die Belange der eigenen Familie? Hatte man ihr nicht geradezu unterstellt, sie habe kein Herz, sondern denke immer nur an ihre verdammten
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und die Pflichten königlicher Repräsentanz? Jetzt, wo sie die Fürsorge für die Enkel an die erste Stelle ihrer Prioritäten setzte, sollte dies alles vergessen sein?
    Die Öffentlichkeit nahm Elizabeth die Entschuldigung für ihr Nichterscheinen nicht ab, man hielt sie für eine Ausflucht, eine Tarnung der Tatsache, dass die Windsors eigentlich nie begriffen hatten, was sie Diana, diesem aufreizenden Irrlicht, trotz allem schuldig waren und was sie nun durch den Tod der Prinzessin verloren hatten. Die Queen könne sich also glaubhaft gar nicht der allgemeinen Trauer anschließen. Die Wahrheit hinter dem wachsenden Groll der öffentlichen Meinung lag aber woanders: Wir sind Ihrer Majestät Familie, so lautete die Botschaft, wir sind das demokratische Volk und erwarten als Erste die Ansprache der Königin im Augenblick unserer größten Aufgewühltheit. Wir haben unsere Prinzessin verloren, suggerierten die Schlagzeilen nach Art von fast persönlichen Petitionen. «Sprechen Sie zu uns, Ma’am, bitte sprechen Sie», wie es der «Mirror» formulierte. Die «Times», Bollwerk der Treue zum Königtum, fuhr am 4. September ein für die Queen gefährliches Geschütz auf, einen Vergleich: «In Diana sah die Welt eine neue Monarchie, spontan und ansprechbar, unbesorgt um das Protokoll, besorgt um die Menschen.» Die Institution wankte.
    Elizabeth stand vor einer die Grundfesten der konstitutionellen Monarchie in Großbritannien berührenden Frage. Als Kopf eines demokratischen Gemeinwesens musste sie wissen, dass die Dauer von Traditionen verblasst vor der Rechenschaft, die der erste Diener der Nation, die Queen, dem eigentlichen Souverän, demVolk, schuldet. Denn sie ist Königin von Volkes Gnaden, was sie und Philip, gemessen an ihren diversen Äußerungen zu diesem Thema, immer anerkannten. Der Reflex «Man darf sich nicht einschüchtern lassen durch das, was die Presse schreibt», zielte diesmal am Thema vorbei. Hinter den Medien stand die öffentliche Meinung wie eine geschlossene Phalanx, und dies zu missachten, hätte die Daseinsberechtigung der Monarchie selber aufs Spiel gesetzt. Denn welchen Sinn hat eine Institution, die sich an die Zeitlosigkeit ihrer Geschichte und ihrer Formen klammert, aber die Menschen – «auf die es ankommt», wie Prinz Philip 1969 in Kanada gesagt hatte – im Hier und Jetzt ignoriert?
    Ringt sich die Queen einmal zu neuer Erkenntnis durch, kommen die Dinge sehr schnell in Bewegung. Sie mussten es auch, denn es war der Donnerstag der Woche nach Dianas Tod, und in zwei Tagen würde das Requiem in der Westminster Abbey stattfinden.

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