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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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gesellschaftliche Kohärenz insgesamt, die während der Gewaltausbrüche in englischen Städten im August 2011 schwer lädiert erschien.
    Ein zweites, potentiell ernsteres Fragezeichen meldet sich an – die Zukunft des konstitutionellen Zusammenhalts des Vereinigten Königreichs. Nach dem überwältigenden Sieg der Scottish National Party (SNP), der schottischen Nationalisten, bei den Regionalwahlenim Mai 2011 rückt die Gewissheit heran, dass Alex Salmond, der Erste Minister (Regierungschef) Schottlands, seinen lang gehegten Plan wahr macht, ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands abhalten zu lassen. Es wäre ein dramatischer Schritt in Richtung einer verfassungsmäßigen Desintegration des Inselreichs, zumal der 1707 geschmiedeten Union Englands mit Schottland. Die Königin hat schon immer der sogenannten Devolution misstraut, der zufolge nach 1999 die Regionen Wales, Nordirland und Schottland eigene, teilautonome Regierungen erhielten. Schottland ginge mit dem Schritt in die Unabhängigkeit weit über dieses Verfassungskonstrukt hinaus. Die Nationalisten wollen zwar die Queen als Staatsoberhaupt behalten, falls in einem Referendum die Mehrheit der Schotten für die Unabhängigkeit stimmt. Aber ein selbständiges Schottland wäre dann ein eigener Teil des Commonwealth, kein Teil des Vereinigten Königreichs mehr.
    Schon 1977, aus Anlass ihres silbernen Thronjubiläums, hatte Elizabeth in einem vertraulichen Gespräch mit Unterhausabgeordneten, das nicht lange vertraulich blieb, ihr tiefes Unwohlsein über die schon damals besprochene Devolution bekannt gemacht: «Ich kann nicht vergessen», so sagte sie, «dass ich als Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland gekrönt wurde.» Das werden die Schotten, sollte ihnen der Sinn danach stehen, leicht vergessen.
    Aber die Queen in Panik? Das passt nicht zu dem Bild, das die Welt von ihr besitzt. Interessanterweise verbindet sie und Alex Salmond eine große Leidenschaft: die Pferde, über die sie sich bei ihren regelmäßigen Begegnungen lebhaft unterhalten, was zu einer regelrechten Freundschaft zwischen beiden geführt hat. Das ist zwar nur eine Fußnote zu der Verklammerung zwischen Schottland und England, wie sie seit 1603 besteht. Aber die schottischen Verbindungen gehörten seither zur
raison d’être
der Krone, die sich – anders als die Engländer – unter den Schotten großer Wertschätzung erfreut. Und das, obwohl diese keine «Elizabeth II.» kennen, hatten sie doch auch keine «Elizabeth I.», zu deren Zeit ihr Land noch unter eigenen Königen lebte. Im Schoß der Zukunft, so mag die Queen denken, ruhen Entwicklungen, die nicht so fragwürdigaussehen werden, wie sie heute erscheinen mögen. «We shall cross that bridge when we get to it», sagt ein geflügeltes Wort – lasst uns erst einmal an diese Brücke gelangen, dann werden wir sie schon überqueren. Eine lange Geschichte schenkt – das trifft für Englands Historie insgesamt zu, aber auch für die lange Zeit der Queen auf dem Thron – neben der Hellhörigkeit für Veränderungen auch eine große Portion Gelassenheit, die sich im Charakter dieser Monarchin eingegraben hat wie eine geheime Chiffre.

    Der Blick auf das Königshaus, der meist nur den auf Pomp, das Lächeln der Royals, den Wachwechsel der königlichen Garde in London oder andere touristische Attraktionen fällt, erfasst damit nur einen kleinen Ausschnitt. Wie in der Vita der Queen das Commonwealth außerhalb Englands nur ungenügend gewürdigt wird, so auch bei der Beschreibung der Stabilität der Monarchie ihre große, vielleicht ihre größte Stärke: die Wohlfahrt. Der Einsatz führender Mitglieder der Firma für gemeinnützige Zwecke gehört zu ihren wichtigsten Aufgaben, wenn er auch in den letzten Jahrzehnten durch die vielen Skandale überschattet wurde, die das Image der Royals prägten. Für Elizabeths Schulung in Pflicht und Pflichtbewusstsein war, wie in dem Kapitel über Krieg und Nachkriegszeit erwähnt, ihre erste, 1944 übernommene Schirmherrschaft über ein Krankenhaus im Osten Londons so etwas wie eine Initiation – der Eintritt in die «Welfare Monarchy». Eine auf soziale Themen spezialisierte Londoner Beraterfirma, «nfpSynergy», fragte im April 2011 einen repräsentativen Querschnitt von Bürgern, einmal die königlichen Dienste in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufzulisten. Von den augenfälligen Pflichten abgesehen, «Großbritannien im Ausland zu vertreten» und

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