Elizabeth II.: Das Leben der Queen
bis heute, wie es scheint, die ganze Welt fasziniert, ob bei der jährlichen Eröffnung des Parlaments durch die Queen oder aus Anlass einer königlichen Hochzeit wie jüngst die des Herzogs und der Herzogin von Cambridge. Auf dem europäischen Kontinent verlief die monarchische Geschichte anders. Den Kaisern und Zaren in Russland, Deutschland und Österreich-Ungarn dienten prachtvolle Staatsauftritte zur Verherrlichung ihrer Macht – «in England wurden sie möglich wegen der wachsenden königlichen Schwäche», schreibt David Cannadine. Das war eine kluge Konzession an die Geschichte und denZwang zu politischen Reformen, mit der Folge, dass Englands Königtum überdauerte, die kontinentalen Kaiserreiche dagegen hinweggefegt wurden.
Auf der Website, die der Buckingham Palast seit 1997 unterhält ( www.royal.gov.uk ), kann man Fakten und Informationen in überreicher Fülle abrufen. Doch ist dort wohl kein Satz von tieferem Belang als das königliche
mission statement,
mit dem der Hof sein Selbstverständnis beschreibt: «Die Monarchie steht für die dauerhafte Stabilität der Nation, sie übersteigt das Ebben und Fluten der Parteipolitik.» Wie im Laufe des 19. Jahrhunderts ein Tausch stattfand, bei dem die Krone sich Popularität gegen die Abgabe von Macht einhandelte, so enthüllt auch der Satz auf der königlichen Website einen versteckten Tausch: Die Demokratie, eigentlich gebaut auf die Gleichheit der Chancen aller, rückt an der Staatsspitze ein beträchtliches Stück von diesem Grundsatz ab, indem sie das höchste Amt an eine Erblinie aus Blut und Verwandtschaft abgibt, an das dynastische, nicht das demokratische Prinzip also, dafür aber Stabilität, Kontinuität und die Freiheit der Staatsspitze von politischer Beeinflussung erwirbt.
Diese Kontinuität hat Walter Bagehot in seinem Klassiker «Die englische Verfassung» von 1867 bereits als großen Vorteil ironisch angepriesen: «Das konstitutionelle Königtum hat besonders eine Funktion, die ich als seine größte ansehe – es dient der Tarnung. Die erlaubt es den tatsächlichen Machthabern im Lande, zu kommen und zu gehen, ohne dass die achtlose Menge davon groß Kenntnis nimmt.» In der Tat, welcher Brite, es sei denn, er ist historisch gebildet, kann die zwölf Premierminister aufzählen, die unter der Queen seit 1952 regiert haben – oder sie unter ihnen, um es korrekt auszudrücken? Aber jeder weiß, wer seit 60 Jahren ununterbrochen die «königliche Republik» vertreten hat.
In der Anhänglichkeit der Briten gegenüber der Krone steckt, ausgesprochen oder nicht, die Überlegung, was man verlöre, wenn man die konstitutionelle Kontinuität, repräsentiert durch Krone
und
Parlament, gegen ein präsidiales System eintauschte, und warum man bei einer solchen Besetzung der Staatsspitze erneut dem «Ebben und Fluten der Parteipolitik» ausgesetzt wäre. Deutschland zum Beispiel erlebt ein regelmäßiges politisches Gerangel um den jeweils nächsten Bundespräsidenten und musste sogar unlängst erleben, wie einer davon sein Amt einfach aufgab. Solchen Schwankungen ist eine Erbmonarchie nicht ausgesetzt – die Abdankung Edwards VIII. war eine große Ausnahme, sie steckt dem Land noch heute als abschreckendes Beispiel in den Knochen.
Denis Healey, ein früherer Labour-Schatzkanzler, fasste die Argumente gegen einen britischen Präsidenten einmal in zwei Worte: «Margaret Thatcher». Ein Essay von der Kürze eines Bonmots. Dagegen machte sich Harold Macmillan, Premierminister von 1957 bis 1963, einmal das Vergnügen, einem Freund plastisch vor Augen zu führen, wie das sei, wenn kein Monarch mehr da wäre. «Mal dir den Moment aus», so Macmillan, «wenn statt der Queen ein Gentleman in schlecht sitzendem Frack, vielleicht vom Londoner Anzugsverleih MosBros, vor uns stünde, und dieser Mann stolzierte da so hin und her, das gewählte Produkt einer schäbigen Kungelei zwischen der politischen Rechten und der Linken ...! Gut, lass ihn laufen, warten wir lieber auf den nächsten kleinen Mann – wer wird’s? ‹X muss es werden, der ist ein derart miserabler Finanzminister, schieben wir ihn doch einfach ins Präsidentenamt ab›, flüstert die politische Klasse. Kann man sich das vorstellen? Nein, es macht absolut keinen Sinn, es wäre die endgültige Zerstörung unseres Lebens und des Gefühls für die Vergangenheit unseres Landes.»
Man kann die Frage auch unter populistischem Winkel angehen und sich beispielsweise den verregneten 2. Juni 1953, den
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