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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Krönungstag der Queen, unter einem präsidialen System vorzustellen versuchen. Undenkbar, dass die Leute wegen der Prozession eines Staatspräsidenten nachts an regnerischen Straßen kampieren würden, um am Tag der Amtseinführung einen besseren Blick von dem Gewählten zu erhaschen. Vielleicht kämen Mick Jagger oder eine britische Lady Gaga gerade noch infrage, aber auch sie nur für den engen Kreis der Jugendlichen oder solcher Zeitgenossen, die miteiner Rockgruppe wie den Rolling Stones groß geworden sind. Eine Genealogie ergäbe das nicht, und das Epos der britischen Geschichte, das sich anhand wechselnder Herrscher wie ein nationaler Familienroman nacherzählen lässt, wäre ein für alle Mal verloren, ganz zu schweigen von den Kutschen, Landauern und bunten Uniformen des Personals, die dann endgültig verstauben dürften. Welcher Einbruch für die Tourismus-Industrie – England ohne Monarchie! Auch muss man davon ausgehen, dass bei einem Präsidialsystem das Commonwealth kaum weiterexistieren könnte. Die 54 Mitglieder werden ja zusammengehalten durch ihre Loyalität zur Krone; sechzehn von ihnen erkennen die Queen zugleich als Staatsoberhaupt an. Dieser Verklammerung würde die wesentliche Begründung abhanden kommen, wenn Großbritannien zu wechselnden Präsidenten an der Staatsspitze überginge.
    Freilich darf man nicht vergessen, dass das Commonwealth in der Frage der Anführung durch den britischen Monarchen keinen Automatismus kennt. Schon die Queen musste bis zum November 1952 warten, ehe Nehru, der damalige indische Ministerpräsident, ihr im Namen der übrigen Mitgliedsstaaten die Zustimmung zu ihr als Kopf des Ganzen überreichte. Wird ihr Nachfolger Charles gleichermaßen akzeptabel sein? Oder wird das eine oder andere Land Vorbehalte wegen seiner Vita formulieren? Vielleicht kann man sagen, dass sich Prinz Charles seine Commonwealth-Sporen noch verdienen muss.

    Die Antimonarchisten auf der Insel, die Republikaner, standen meist auf verlorenem Posten, auch wenn sie in der Geschichte zuweilen eine (Laut-)Stärke erreichten, die den Königstreuen Angst machte. Vor allem die langen Jahre der Zurückgezogenheit Queen Victorias nach dem frühen Tod ihres Mannes 1861 führten zu wachsender Kritik am Königshaus und der Frage, wozu man es brauche bei einer unsichtbaren Queen. Leopold, König der Belgier, Victorias Onkel, warnte seine Nichte: «Die Engländer neigen sehr zu persönlichen Kontakten. Wenn sie ihre Zuneigung zu jemandemfortsetzen wollen, müssen sie diesen auch sehen können.» 1870, nach dem Sturz Kaiser Napoleons III. von Frankreich, sang man auf dem Trafalgar Square die Marseillaise. Ein Bestsellerautor wie H. G. Wells veröffentlichte 1917 in der «Times» einen offenen Brief, in dem er «das dynastische System» anprangerte, «durch das die Menschheit so lange geteilt, verbittert und verschwendet wurde». Der Erste Weltkrieg, vor allem der Krieg der beiden Vettern George V. und Kaiser Wilhelm II. gegeneinander, hob nicht gerade das Ansehen der Monarchie. Auch deshalb beschloss der König, sich zur Wiederbelebung seiner Popularität von seinem deutschen Familiennamen ein für allemal zu trennen. Sein zweiter Entschluss sollte das tragische Ende der Romanows einläuten: Der anfängliche Plan, dem Zaren und seiner Familie in England Asyl zu gewähren (auch Nikolaus II. war ein Cousin des Königs), wurde aus Sorge vor der antimonarchischen Stimmung im Lande fallen gelassen. Damit war das Schicksal der Zarenfamilie besiegelt.
    Heftig polemisierten im ersten Kabinett Harold Wilson nach 1964 zwei Republikaner, Richard Crossman und Tony Benn, gegen die Krone und ihren Dekor, etwa die Tradition des «kissing hands» bei der Vorstellung des jeweils neuen Kronrats. Crossman nannte in seinen Memoiren das Königshaus «das beste Beispiel von reinem Hokuspokus». Unvergessen ist Tony Benn, damals Postminister, mit seinem kläglich gescheiterten Vorstoß, die Silhouette der Queen von den britischen Briefmarken entfernen zu lassen und dafür den Ländernamen einzusetzen, den Großbritannien als einziges Mitglied des Weltpostvereins auf seinen Briefmarken bekanntlich nicht zu führen braucht. Viele Fälle sprechen dagegen von Bekehrungen auf dem Weg nach Damaskus, sprich: zum Buckingham Palast, sobald ein Republikaner in den Dunstkreis der Queen gelangte, die Establishment-Leiter erklomm oder durch einen Orden überrascht wurde. Nicht umsonst warnte George Bernard Shaw, ein anderer Erzgegner des

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