Elizabeth II.: Das Leben der Queen
widersprach: «Durch die gesellschaftlichen Veränderungen, die der Krieg mit sich gebracht hat, besteht eine der Hauptaufgaben des Prinzen von Wales darin, die Institution Monarchie den Menschen näher zu bringen.»
Das Unglück war, dass bei diesem Bestreben ihm selber die Monarchie überhaupt nicht näher kam. Im Gegenteil. Der junge Mann rang mit zunehmenden Jahren mit seiner Berufung zum Königtum wie mit einem ungeliebten Erbe. Es ist daher nach allem, was wir inzwischen wissen, was Tagebücher, Briefeditionen und Memoiren ans Licht gebracht haben, zu einseitig zu sagen, die Politik habe Edward VIII. 1936 vom Thron verstoßen, weil er von seiner Absicht, Wallis Simpson zu heiraten, nicht lassen wollte: Diesen Thron hat er früh selber als nicht besonders begehrenswert empfunden. In der Schmach der Abdankung am 10. Dezember 1936 lag daher für ihnauch fast so etwas wie Erlösung. Sein dandyhaftes Leben, sein erotisches Übersoll, auf Reisen und in der gehobenen Gesellschaft Londons ausgelebt, waren ja nicht nur Verbeugungen vor manchen Usancen der Zeit. Sie waren auch der lange Abschied von einer Zukunft, die ihm nicht zusagte, der er sich selber nicht gewachsen fühlte.
Entsprechend erschöpften und frustrierten ihn die Pflichten, in die sein Vater ihn nach 1918 einspannte, vor allem auf monatelangen Besuchen bei den Verbündeten, die England im Krieg unterstützt hatten und die bedankt sein wollten, darunter an erster Stelle die Dominien Australien, Neuseeland, Indien, Südafrika und Kanada. Schon 1919 ging es nach Kanada und in die USA, ein Jahr später nach Australien und Neuseeland, 1922 dann nach Indien, Pakistan und Japan – insgesamt sechzehn Reisen bis 1935. Die britische Krone, eine universale Monarchie, verlangt von dem Träger einen langen Atem und große Zähigkeit. Die heutige Queen hat in diesem Bereich an physischer Ausdauer schier Unmögliches geleistet.
Aus solchem Holz war ihr Onkel nicht geschnitzt. Die Monarchie den Menschen näher bringen – gewiss, aber da gab es doch einige recht unsympathische Spezies in Übersee zu besichtigen, die den Kronprinzen eher abstießen. Wir besitzen ein gutes Bild seiner Einstellungen aus der jahrelangen Korrespondenz zwischen ihm und seiner damaligen Geliebten, Freda Dudley Ward, verheiratet mit einem Abgeordneten der liberalen Partei. Ihr vertraute er sich in einer Unzahl von Briefen an, oft mehrere am Tag, vornehmlich auf seinen diversen Weltreisen zwischen 1919 und 1923 geschrieben. Den Prinzregenten von Japan, den späteren Kaiser Hirohito, bezeichnet er als «Preisaffen»; die indischen Bettler, die seinen Konvoi umringen, sind für ihn «der Abschaum des Ostens»; Japaner «vermehren sich wie Kaninchen», und australische Ureinwohner wirken auf ihn wie «die abstoßendste Form von Lebewesen, die ich jemals gesehen habe, ganz nahe bei den Affen.» Da fällt das Urteil über die Bewohner der britischen Mittelmeerinsel Malta noch glimpflich aus – «die schlimmstmöglichen Dagoes», das absolut pejorative Wort, das britische Arroganz damals für Südländer übrig hatte.
Die Welt, die dem gut aussehenden Prince Charming, einer Celebrity seiner Zeit, zujubelte, wusste von seinem latenten Rassismusnichts. Auch war sie nicht in der Lage, hinter seine lächelnde Fassade zu schauen und das tiefe Unwohlsein des Prinzen über seine königliche Rolle zu erfassen. Am 28. April 1920 schreibt er aus Neuseeland an Freda, seine «Fredie», in reißendem, fast interpunktionslosem Fluss:
«In was für einem hoffnungslosen Zustand die Welt sich doch derzeit befindet & jeden Tag sehne ich mich mehr & mehr danach diesen Job hinzuschmeißen & und von ihm befreit zu sein für Dich, meine Süße; je mehr ich über alles nachdenke desto sicherer bin ich dass tatsächlich (vielleicht oberflächlich betrachtet noch nicht bei den Briten) der Tag für Könige und Prinzen passé ist, Monarchien sind außer Mode obwohl ich weiß es klingt verdorben wenn ich so etwas sage & bolschewistisch.»
Mehrfach stöhnt er seiner Geliebten vor, wie leid er doch dieses ganze «princing» sei, das prinzliche Auftreten, diese Theaterrolle. Alles Zeremonielle, auch die Ehrenumzüge auf seinen Reisen, hält er für nichts als «royal stunts». «Was ich doch dafür gäbe», schreibt er am 5. August 1922, «diesen P of W [Prince of Wales] Job wegzuwerfen. Ich habe so die Nase voll davon, weißt Du, bin dafür überhaupt nicht geeignet.» Solche Empfindungen teilte der Thronerbe durchaus
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