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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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nicht nur mit Freda. In den Nachlasspapieren seines Privatsekretärs Sir Godfrey Thomas fand sich auch dieser erschütternde Brief des sich wie gefangen fühlenden 25-jährigen Königssohnes von Weihnachten 1919:
    «Eine Art von hoffnungsloser Verlorenheit ist über mich gekommen, ich glaube, ich drehe durch, bin außer Stande, mich zusammenzunehmen. Himmel! wie ich meinen Job hasse und die Presse dazu, die ständig leere Erfolge aufplustert. Ich bin damit durch und sehne mich zu sterben. Um Himmels willen, kein Wort davon auch nur an eine Seele! Niemand darf wissen, wie ich über mein Leben denke und alles. Wahrscheinlich glaubst Du nach dem hier Geschriebenen, dass ich sowie schon in die Klapsmühle gehöre. Ich komme mir vor wie ein verdammter kleiner Scheißer» – «a bloody little shit». Und erneut, im April 1927: «I’m a misfit.» Sohn seines Vaters, Georges V., zu sein, bejammert er darüber hinaus als reines «Missgeschick». Das bekommt auch Freda zu hören.

    Die Wissenschaft ist heute einhellig in dem Urteil, dass George V., der nach außen so honorig wirkende Vater seiner Familie und der Nation, der Großvater der heutigen Queen, die Hauptschuld trägt an den seelischen Beschädigungen seiner vier Söhne, besonders gravierend bei Elizabeths eigenem Vater Albert («Bertie»), dem späteren George VI., und bei David, dem Erstgeborenen. Dem fünften George kommen große Verdienste zu als klugem Balancierer in den politischen Umwälzungen seiner Thronzeit zwischen 1910 und 1936. Aber «die glückliche königliche Familie war ein Märchen», schrieb Alexander Lord Hardinge, Hofberater unter beiden Georges: «Der König benahm sich gegenüber seinen Kindern einfach brutal.» Er dressierte sie, als er noch Herzog von York war, nach Art eines Exerziermeisters, erzog sie wie junge Marinerekruten, die sie dann auch wurden, nach einem Regime, das sie zu psychischen Krüppeln machte. Nach eigener Auffassung handelte der Monarch nur recht und billig – so mussten Prinzen eben erzogen werden, unbeschadet ihrer Veranlagung, als in Härte erprobte Charaktere, nicht als geistig definierte Wesen. Harold Nicolson, der nach dem Zweiten Weltkrieg das Standardwerk über George V. und seine Thronzeit verfasste, äußerte in Freundeskreisen, dieser habe «die intellektuelle Kapazität eines Bahnhofgepäckträgers» gehabt. Das war keine Einzelstimme. Kulturell ohne Antenne, ein Mann, der den Maler Turner für «verrückt» erklärte und die Impressionisten für «einen Witz», stürzte sich George schon als junger Familienvater in seine Briefmarkensammlung und das Jagdfieber als die beiden großen Passionen seines Lebens, wann immer er eine neue Lektion mit seinen Söhnen hinter sich gebracht hatte. Seine Devise lautete: «Mein Vater [Edward VII.] lebte in Furcht vor seiner Mutter [Queen Victoria], ich selber in Furcht vor meinem Vater – und ich werde verdammt dafür sorgen, dass meine Kinder in Furcht vor mir leben.»
    Und wie. Kein elterliches Wort der Ermutigung drang je an die Ohren der beiden ältesten Söhne. Der Vater schien Freude daran zu haben, seine Kinder bei jedem kleinsten Detail, das seine Kritikfand, zu demütigen. Uniformen zu Mahlzeiten natürlich und stramm stehen – wehe, ein Knopf saß falsch oder eine Hand rückte unachtsam in die Hosentasche. «Zunähen!», wurde die Nanny angeherrscht, und zwar sämtliche Hosen, damit solche Etikettenbrüche nicht mehr vorkommen konnten. Bertie, Elizabeths Vater, wurde entgegen seiner Veranlagung als Linkshänder zum Schreiben mit rechts gezwungen, und da er obendrein X-beinig zu werden drohte, bekam er jahrelang nachts metallene Schienen angelegt, die ihn quälten und schlecht schlafen ließen. Sein Mangel an Selbstvertrauen wurde auch nicht dadurch behoben, dass sein Vater ihn Gedichte aufsagen ließ, bei deren Vortrag der Sohn sich regelmäßig verhaspelte, eines zunächst nur leichten Stotterns wegen. Der König hatte dafür keine Geduld: «Krieg’s raus, krieg’s raus», brüllte er das Kind regelmäßig an. Diese Tortur flößte dem Jungen für sein ganzes späteres Leben einen Horror vor öffentlichen Redeverpflichtungen ein, wie der Film «The King’s Speech» fesselnd nachzeichnet.
    Eine Katastrophe kam mit dem ersten Kindermädchen der Brüder ins Haus, mit Mrs. Green, einer reinen Sadistin, die ihre Abart an den Söhnen ausspielte. Obwohl sie David vergötterte, erhielt ihre Eifersucht auf die Eltern meist die Oberhand. Beim Antreten zum High Tea

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