Elizabeth II.: Das Leben der Queen
vom König als Staatsoberhaupt erwarten durfte. Aber ich wollte gleichzeitig auf meinem Recht beharren, zu heiraten nach meinen Bedingungen.»
Die Eintragung ist nicht ganz vollständig, wie vieles in den Erinnerungen des Herzogs von Windsor; über Thelma Furness oder gar Freda Dudley Ward zum Beispiel findet sich in ihnen kein Wort, wohl aus Rücksicht auf Wallis, seine Frau, die er 1937 heiratet. «Dienen in allem, was man vom König als Staatsoberhaupt erwarten durfte» – dafür war gerade dieser zur Erneuerung entschlossene Mann kein Garant, wie sich schon wenige Tage nach diesen Aussprachen von Mitte November zeigen sollte, als Edward nach Südwales aufbrach, um sich ein Bild zu machen von der trostlosen Lage der Arbeitslosen in dem völlig heruntergekommenen walisischen Kohlerevier. Der König war ehrlich betroffen von dem Elend, das ihn in vielen ausgehungerten Gestalten ansprach, er zeigte sich von seiner warmherzigsten Seite. Und beging dann einen Fauxpas, den sich ein in allen Dingen neutraler britischer Monarch nicht erlauben darf: Er gab einen politischen Kommentar ab, den man in London wie eine Kritik an ungenügender Regierungsaktivität lesen konnte. «Something must be done» – etwas muss geschehen, meinte Edward noch an Ort und Stelle, Erwartungen schürend, die zu wecken ihm nicht zustand und die einzulösen auch gar nicht in seiner Macht lag. Solches privat zu äußern, bei einer seiner wöchentlichen Audienzen mit dem Regierungschef – das wäre der passende Ort gewesen für den Monarchen mit seinem Gewohnheitsrecht, «zu ermuntern und zu warnen».
Der Vorfall ließ in Whitehall neue Alarmglocken schrillen,denn Edward hatte bei vielen anderen Gelegenheiten gezeigt, wie eigenwillig er mit Traditionen umzugehen entschlossen war. Bei Stilfragen konnte man sich kaum einmischen, da war er in seinem Recht – bei Fragen der Politik hatten andere das Sagen, und der Monarch musste sich tunlichst zurückhalten. Am Ende schälte sich fast so etwas wie Erleichterung heraus und ließ die Frage der Abdankung in weniger katastrophalem Licht erscheinen. In manchen Kreisen wurde Wallis Simpson geradezu als Figur der Vorsehung begriffen, England geschickt, um es von einem untauglichen König zu befreien. Noel Coward, beliebter Bühnenautor und Songwriter, empfahl, Wallis-Statuen im ganzen Land aufzustellen für den Dank, den man ihr schulde.
Am 3. Dezember konnten die Chefredakteure endlich ausschütten, was sie seit Monaten gehortet, aber dem Markt nicht mitzuteilen gewagt hatten: die Wallis-und-Edward-Story. Heraus kam sie durch einen kuriosen Zufall. Der Bischof des nordenglischen Bradford, ein gewisser Dr. Blunt, gab auf einer Diözesankonferenz seines Sprengels am Nachmittag des 2. Dezember zu verstehen, ihn bewegten christliche Sorgen im Blick auf die Krönung im kommenden Jahr. Zu diesem Ereignis, der Krönung, so führte er mit süßem Gift aus, «wollen wir den König der Gnade Gottes anempfehlen, die er so reichlich benötigt wie wir alle auch; denn der König ist ein Mensch wie wir – wenn er seine Pflicht getreu erfüllt». Da war nichts von Wallis Simpson zu hören, doch die unmissverständliche Kritik an der fehlenden christlichen Einstellung auf Seiten des Monarchen elektrisierte die Journalisten. Zunächst druckten nur Abendzeitungen in der Provinz die Worte des Bischofs ab, aber die Londoner Presse folgte prompt am andern Morgen. Blätter wie die «Times» oder der «Daily Telegraph» und die «Morning Post» legten sich eindeutig gegen Edward VIII. fest. Doch war ihre gesammelte Auflage ein Nichts gegen die neun Millionen Exemplare des «Express» und der «Mail», wo man sich für Edward VIII. aussprach («Die Menschen wollen ihren König!»). Demonstranten riefenvor der Downing Street mit Plakaten wie «GOD SAVE THE KING FROM BALDWIN» zu öffentlichen Protestversammlungen auf.
George Bernard Shaw veröffentlichte am 5. Dezember im «Evening Standard» eine beißende Satire, welche die Heuchelei des Establishments aufspießte, unter dem Titel «Das Königreich der Halbverrückten». Darin sprachen sich Regierung und Kirche gegen eine Amerikanerin namens Mrs. Daisy Bell aus, die zweimal geschieden war und deshalb, so schrieb der Autor, «eine besonders gute Ehefrau abgeben würde für einen König, der noch nie geheiratet hatte». Im Übrigen ließ der König der Halbverrückten Premier und Erzbischof wissen, dass er die Ansicht von 495 Millionen Untertanen zu berücksichtigen habe
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