Elizabeth II.: Das Leben der Queen
übergeben und im Frühjahr 2004 wieder an ihrer alten Stelle auf der Spitze der Kuppel angebracht, die beiden krönenden Punkte der neu erstandenen Kirche. Gefertigt wurden sie in der Londoner SilberschmiedeGrant McDonald, und zwar von Alan Smith, dem Sohn eines jener englischen Bomberpiloten, die 1945 die Frauenkirche und die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatten. Sein Vater, so berichtete der jüngere Smith, habe nach dem Einsatz «posttraumatischen Stress entwickelt, der ihn über Jahre mit Horror erfüllte».
Eigentlich hatte man in Deutschland mehr erwartet als nur die bemerkenswerte Fundraising-Kampagne einer für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche gegründeten britischen Stiftung. 750.000 Pfund, über eine Million Euro, von britischen Bürgern gespendet, hatte der «Dresden Trust» aufgebracht. Als Höhepunkt des Besuchsprogramms der Königin im Jahr 2004 fand in der Berliner Philharmonie ein Galakonzert statt zugunsten der weiteren Finanzierung der Kirche. Aber wäre nicht eine Entschuldigung der Queen für den Akt der sinnlosen Vernichtung Dresdens ebenfalls am Platze gewesen? Die deutsche «Opfer»-Debatte der Jahre zuvor hatte ihre Spuren hinterlassen, der Blick auf die eigenen im Krieg erlittenen Leiden wurde unabweisbar. Ein britisches «Sorry» für Dresden hätte, jedenfalls nach Überzeugung vieler, geholfen.
Der Deutschlandkorrespondent der «Times», Roger Boyes, machte sich damals an eine Ad-hoc-Befragung deutscher Bürger und konnte «keinen aufgestauten deutschen Bedarf nach britischer Bußfertigkeit» entdecken, die «einzigartig faire Gesinnung» der Befragten beeindruckte ihn. Es hatte sich offenbar in Deutschland herumgesprochen, dass die Vernichtung der deutschen Städte aus der Luft auch auf der Insel zu den Wundstellen der nationalen Psyche gehört. Die Selbstkritik kommt allerdings nicht so sehr mit einem großen «mea culpa» daher als in den Etappen einer ruhigen Aufarbeitung eigener Fehler und Sünden, auch wenn man weiß, dass der alliierte Bombenkrieg die Antwort war auf einen durch Nazideutschland entfesselten Weltkrieg.
Schon gleich nach 1945 hatte man auf der Insel von Arthur Harris, dem Vater des Bombenkrieges, und dem strategischen «Bomber Command», den Harris geleitet hatte, nicht mehr viel wissen wollen. Der «Bomber Command» war die einzige Waffengliederung, die keine Heldenauszeichnung erhielt; erst Anfang 2011 wurde er mit einem bescheidenen Denkmal an der LondonerMall geehrt. Harris selber kam für keine weitere Verwendung in der Royal Air Force mehr in Frage und zog sich verbittert nach Südafrika zurück. Erst 1992, auf Betreiben der Queen Mother, wurde eine Statue von ihm am Rand der Londoner City enthüllt. Das entfachte ebenso viel Genugtuung wie Kontroversen.
Die britische Geschichtsschreibung hat immer wieder die Fragwürdigkeit der Flächenbombardierung ziviler deutscher Ziele im Zweiten Weltkrieg aufgegriffen, am besten nachzulesen in Max Hastings Standardwerk «Bomber Command» von 1979. Hastings schildert darin auch «das wachsende Entsetzen der in Deutschland angekommenen Besatzungssoldaten über die physische Vernichtung des Landes». Man könnte es erfahrene Nachdenklichkeit nennen, was Hastings, John Keegan oder andere seit langem zu diesem Thema vortragen. Das Nachdenken reflektiert freilich die Unausweichlichkeit immer mit, ähnlich den Worten Oliver Cromwells, als er auf Charles I. schaute, den 1649 hingerichteten Monarchen, wie er in seinem Sarg lag: «Grausame Notwendigkeit.»
Eine Entschuldigung durch die Königin hätte mithin – abgesehen davon, dass es ihr verfassungsmäßig gar nicht zusteht, sich eigenmächtig zu exponieren – nicht nur Ursache und Wirkung einer der großen Tragödien des 20. Jahrhunderts auf den Kopf gestellt. Sie wäre geradezu ein Bärendienst an den britisch-deutschen Beziehungen gewesen, weil sie Animositäten und endlose Schuldzuweisungen freigesetzt hätte, die gerade dadurch gebändigt worden sind, dass jeder auf seine Weise das Vergangene aufzuarbeiten gelernt hat – und dabei die Versöhnung entdeckt hat, die beide Länder verbindet. Nichtsdestoweniger fand die Queen 2004 genau den richtigen Ton. Vom «entsetzlichen Leid des Krieges auf beiden Seiten» sprach sie auf dem Staatsempfang im Berliner Zeughaus. Das war eine tiefe Verbeugung auch vor den deutschen Bombentoten, unter Einschluss der britischen Opfer. «Berlin symbolisiert die bemerkenswerte Leistung der deutschen Neuvereinigung», fuhr sie
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