Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Großwetterlage ein, die bei denStaatsbesuchen der Queen in Deutschland und den deutschen Gegenbesuchen bei ihr stets einen unverwechselbaren Rahmen bildet. 1958 war es die noch frische Erinnerung an den Krieg, 1965 der deutsch-französische Freundschaftsvertrag und die endgültige Rehabilitation der Bundesrepublik im Kreise der westlichen Demokratien,1972 die deutsche Ostpolitik, 1978 der Niedergang der britischen Wirtschaft sowie der vorausgegangene «Deutsche Herbst», 1986 schließlich die Frage des britischen Europaengagements in der Thatcher-Ära. 1992 fügte sich mit dem 1989 erfolgten Fall der Mauer nahtlos in diese Serie. Danach, 1998 und 2004, erleben wir eine Konsolidierung der Versöhnung, eine Normalisierung auf erreichter Flughöhe.
Reisen in das neu vereinigte Deutschland: Die Queen und Prinz Philip vor dem Brandenburger Tor, 21. Oktober 1992
Zunächst sah es so aus, als ob die Giftpfeile der üblen Laune, von interessierter Seite abgeschossen, 1992 Erfolg haben würden. In Deutschland hatte es erste Vorfälle von an Ausländern begangenen Verbrechen gegeben, deutsche Neonazis dominierten die Nachrichten auf der Insel vor dem Deutschlandbesuch der Queen, man erwartete fast eine Belagerung durch Skinheads vor der Dresdner Kreuzkirche, in der Elizabeth an einem Gottesdienst teilnehmen wollte. Dresden war ein Reizwort in Deutschland, die Einäscherung der Stadt im Februar 1945 durch die britische Luftwaffe unvergessen. Aber außer ein paar Eiern, die Demonstranten in Richtung des königlichen Konvois schleuderten, blieben der Besuch an der Elbe und auch der Aufenthalt in Leipzig störungsfrei. Schon zum Auftakt ihres Besuches hatte die Queen bei dem Eröffnungsdinner in Schloss Brühl den richtigen Akzent gesetzt und besonders die Bürger der beiden ostdeutschen Städte angesprochen, «deren Freiheitswillen den Eisernen Vorhang schmelzen ließ». Die Tage vom 19. bis zum 23. Oktober wurden eine ihrer am stärksten politisch geprägten Reisen. Was sie als Kompliment an die friedliche Revolution im Osten Deutschlands vortrug, war zwar wie immer vom Außenministerium entworfen, wurde aber – zu Recht – wie ein persönliches Bekenntnis der Besucherin selber aufgenommen.
Eine zweite Irritation im Vorfeld der Staatsvisite hatte mit dem Ausscheiden des britischen Pfundes aus dem europäischen Wechselkursmechanismus am 16. September 1992, dem «Schwarzen Mittwoch», zu tun. Der Bundesbank unter ihrem damaligen Präsidenten Helmut Schlesinger warfen die Briten vor, im entscheidenden Moment nichts zur Stützung ihrer Währung unternommen und damit das Pfund in den Absturz getrieben zu haben. Die harteD-Mark, die hohen deutschen Zinsen waren der Prügelknabe für die britische Rezession, die freilich längst im Gange war und bald Hunderte von Unternehmen um ihre Existenz brachte. Würde die Queen Professor Schlesinger die Hand reichen (dürfen), diesem Verräter am britischen Pfund, das der Inselbevölkerung mindestens so sehr am Herzen lag wie den Deutschen ihre D-Mark? Keine Frage, die Queen hatte keine Meinung zu haben, sondern sich dem vorgefertigten Programm anzupassen. Sie traf sogar zweimal mit Helmut Schlesinger zusammen, auf Schloss Brühl und auf Schloss Charlottenburg, nicht nur zum Händedruck, sondern auch zum Gespräch. John Major, der damalige Premier, wird bei seiner nächsten Audienz im Buckingham Palast durchaus von der Queen erfahren haben, was zwischen ihr und dem Bundesbankpräsidenten besprochen wurde – wenn es mehr war als Artigkeiten. Gegenüber ihren Premierministern muss Her Majesty nicht verschwiegen sein. Nur die müssen es sein, nachdem sie mit der Queen gesprochen haben.
«Dresden» wurde das große Stichwort der beiden jüngsten Staatsbesuche zwischen Großbritannien und Deutschland, der letzten Reise eines deutschen Staatsoberhauptes an die Themse und der letzten Visite der Queen in Deutschland. Elizabeth II. knüpfte im November 2004 in Berlin selber die Verbindung zu dem Besuch Roman Herzogs in London sechs Jahre zuvor. Auf dem Bankett im Berliner Zeughaus erinnerte sie daran, wie Prinz Philip und sie 1998 im Beisein des deutschen Bundespräsidenten auf Schloss Windsor zum ersten Mal die neue, von England gestiftete Weltkugel und das goldene Kreuz für die Spitze der wiederaufgebauten Frauenkirche fertig vor sich sahen. Beide wurden zwei Jahre später, am 55. Jahrestag der Zerstörung Dresdens im Jahr 2000, vom Herzog von Kent feierlich an die Stiftung Frauenkirche
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