Elizabeth II.: Das Leben der Queen
dann war ein entschiedener Trennungsstrich zur Apartheid unvermeidlich.
Auch Elizabeth II. verstand diese Lage sofort. Will man ein überzeugendes Beispiel dafür geben, wie sich unter ihrer Ägide die Monarchie an moderne Erfordernisse angepasst hat, dann liegt hier einer der wichtigsten Belege vor. In der Apartheidfrage stand die Queen immer auf der richtigen Seite, anders als etwa Margaret Thatcher. «In Rassenfragen ist sie absolut farbenblind», bestätigte David Owen, britischer Außenminister in den 70er Jahren. Die nicht-weißen Länder des Commonwealth wussten diese ihre «Farbenblindheit» sehr zu schätzen, war sie doch anfänglich nicht selbstverständlich, als farbige Immigranten aus den ehemaligen Kolonien ins Mutterland einwanderten und dort gegen beträchtliche Widerstände zu Mitspielern in den politischen Auseinandersetzungen wurden. Es war von unschätzbarem Wert, dass sich Elizabeth geradezu mit Leichtigkeit unter den neuen Häuptern Afrikas bewegte und sich mit vielen von ihnen befreundete, darunter Kenneth Kaunda aus Sambia, Jomo Kenyatta aus Kenia, Kwame Nkruma aus Ghana, wobei sie zu Letzterem einige Distanz einhielt. Sie kannte die meisten von ihnen vom Anbeginn des «Wind-of-change»-Prozesses, seit den frühen Jahren der Unabhängigkeit ihrer Länder, länger also als die jeweiligen britischen Premierminister.
Natürlich wurde die Queen von Beginn an entscheidend angetrieben von dem Wunsch, das Commonwealth nicht untergehen zu lassen. Aber damit war noch nicht gesagt, dass sie derart offen und ungezwungen auf die neue Herausforderung zugehen würde, wie sie es tatsächlich tat. Es half dabei, dass sie eine Erbmonarchie vertrat und nicht der Ablösung der Person an der Staatsspitze unterworfenwar, wie sie in anderen Ländern üblich war. Diese Kontinuität erwies sich auch hier, an einer wichtigen Weggabelung der Geschichte, als großer Trumpf. Während die Queen Mother nostalgisch am Empire hing und wie viele Briten glaubte, seit dessen Ende sei Afrika vor die Hunde gegangen, war die Queen stolz auf ihre Ära und auf die Zahl der Staaten, die in ihr die Unabhängigkeit erhalten hatten. Sie stattete jeder Hauptstadt dieser Länder ihren Besuch ab, weihte Staudämme und neue Universitäten ein und genoss es sichtlich, ihren persönlichen Teil bei diesen Entwicklungen gespielt zu haben. Was Margaret Thatcher später reichlich befremden sollte.
Ghana in Afrikas Westen war dem Zug zum afrikanischen Nationalismus um etliche Jahre voraus und erreichte bereits 1957 unter Kwame Nkruma seine Unabhängigkeit. Nkruma, ein neuer Typus afrikanischer Alleinherrscher, eilte auch darin der übrigen Entwicklung voraus, dass er als Erster eine Ein-Parteien-Regierung aufpflanzte, wie sie in vielen der später unabhängig werdenden Staaten Afrikas zum Muster werden sollte. Dem Commonwealth war er gleich 1957 beigetreten, und nichts wünschte er sich sehnlicher als einen Besuch der Queen, zur Stützung seines Charismas als Stammesvater. Der jungen Königin konnte freilich nicht entgangen sein, dass einen Herrscher wie Nkruma zu hofieren dem Kopf einer demokratischen Organisation wie dem Commonwealth eigentlich nicht gut anstand. Aber politische Interessen überwogen, wie immer bei den Auslandseinsätzen der Queen. Tatsächlich wollte das Foreign Office sein bestes Pferd im Stall schon 1960 nach Westafrika schicken, aber Elizabeth war schwanger mit ihrem dritten Kind, Ghana musste aufgeschoben werden.
Doch nur bis zum November des folgenden Jahres, als die Queen nach Staatsbesuchen in Zypern, Indien, Pakistan und Nepal auch nach Ghana reisen sollte. Die Liste dieser Länder ist aufschlussreich – wir befinden uns in einem neuen Kapitel des Kalten Krieges. Moskau suchte nach Stellvertretern in der Dritten Welt,mit deren Hilfe der Kommunismus neue Einflusschancen erhalten könnte auf bisher nicht genutzten Schauplätzen. Auch Ghana war Spielball geworden im Tauziehen um Einfluss, es ging unter anderem um die Finanzierung des Ober-Volta-Staudammes – ein Projekt, bei dem die Sowjets Gewehr bei Fuß standen, während die Kennedy-Administration in den USA abwinkte, zur Bestürzung der Regierung Macmillan.
Doch Anfang November 1961 brachen in Accra, der Hauptstadt Ghanas, Unruhen aus, der Besuch der Queen, für den 9.–20. des Monats vorgesehen, war gefährdet – konnte man riskieren, das Staatsoberhaupt in ein Krisengebiet reisen zu lassen? Elizabeth zeigte sich von ihrer unerschütterlichen Seite. Die Welt
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