Elizabeth II.: Das Leben der Queen
ausmachten (Australien, Neuseeland, Südafrika, Kanada, Indien, Pakistan und Sri Lanka), in der UNO gegen die anglo-französische Militärintervention am Nil stimmte. Fürwahr, das zweite elisabethanische Zeitalter, wenn es denn ein solches je gab, hat keine erweiterten Horizonte gezeigt, sondern «imperiale Desintegration» (Ben Pimlott). Die Gespräche zwischen der Queen, besorgt um das Commonwealth, und ihrem Premierminister Anthony Eden, dem Anstifter des Suez-Abenteuers, müssen unter beträchtlicher Spannung gestanden haben. Eden machte in seinen Memoiren wohlweislich einen weiten Bogen um die Frage, wo die Königin in der Suez-Frage stand; es gehört zu den großen ungelüfteten Geheimnissen ihrer Thronzeit.
Dreizehn Jahre nach Prinzessin Elizabeths Rundfunkansprache von 1947 verschaffte sich in Kapstadt eine andere britische Stimme Gehör, die von Premierminister Harold Macmillan. Seine Rede vor dem südafrikanischen Parlament sollte Geschichte machen: «The Wind of Change». «Ein frischer Wind verwandelt diesen Kontinent», intonierte Macmillan am 3. Februar 1960, «und ob uns das lieb ist oder nicht, dieses Anwachsen des Nationalbewusstseins ist einfach ein politisches Faktum.» Es waren aber nicht nur die Regungen eines neuen Nationalbewusstseins in Afrika, die den britischen Premierminister zu seiner Rede inspirierten – England sah sich nach dem Debakel von 1956 genötigt, systematisch seine Kolonialpräsenz «East of Suez» abzubauen, der Sammelbegriff für diesen Rückzug. Das Land litt an «imperial overstretch», wie man später in anderem Zusammenhang von den USA sagte, an Überdehnung seiner einst imperialen Kräfte. Abbau tat not. So war Macmillan geradezu prädestiniert, den afrikanischen Zeitgeist richtig zulesen, denn der kam der Strategie-Überarbeitung, die in London gerade angestellt wurde, nur entgegen. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollten zwölf britische Kolonien in Afrika ihre Unabhängigkeit erreichen. Doch entschlossen sich alle, dem Commonwealth beizutreten. Die Bitterkeit über erlittene Übergriffe der Kolonialmacht war nicht groß genug, um einen solchen Schritt auszuschließen.
Das war vor allem im Falle Kenias, das 1963 unabhängig wurde, bemerkenswert – dort hatte der britische Overlord in den 50er Jahren den nationalistischen Aufstand der Mau-Mau mit beispielloser Härte niedergeschlagen. Einer der damals durch Folter übel zugerichteten Kenianer war übrigens der Großvater väterlicherseits des amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Wie in einem letzten Aufbäumen gegen sein Ende nahm das Empire in Afrika rassistische, menschenverachtende Züge an. Die US-Historikerin Caroline Elkins hat in ihrer mit dem Pulitzer-Preis geehrten Studie «Britain’s Gulag: The Brutal End of Empire in Kenia» (2005) dieses Kapitel eingehend beschrieben. Neue Dokumente dazu kamen 2011 an den Tag, im Zusammenhang einer Klage auf Wiedergutmachung, die vier überlebende Kenianer aus jener Zeit gegen das Foreign Office führen.
Die eigentliche Pointe von Macmillans Kapstädter Rede war, dass sie in Südafrika gehalten wurde. Das Land stand auf dem Sprung, seine Rassentrennungsgesetze zu verschärfen, die Apartheidpolitik brachte die internationale Diplomatie in Wallung. Das zeigte sich bereits auf der Commonwealth-Konferenz im Mai 1960 in London. Zwei Monate zuvor waren bei dem berüchtigten «Sharpeville Massaker» in Südafrika 56 schwarze Demonstranten erschossen worden, doch trotz der geschlossenen Kritik des übrigen Commonwealth blieb die Regierung in Pretoria – Kapstadt war die legislative Hauptstadt, Pretoria die administrative – bei ihrer eingeschlagenen Linie. Der nicht nachlassenden Kritik überdrüssig, vollzog die Regierung von Hendrik Frensch Verwoerd schließlich 1961 die Loslösung von der britischen Krone, proklamierte die Republik und trat aus dem Commonwealth aus; erst 1994 kehrte Südafrika unter Staatspräsident Nelson Mandela zurück.
Macmillan hatte mit seiner Rede die Tür geöffnet zur multiethnischen Ausrichtung des Commonwealth. Er sah voraus, dass die Dominanz von Ländern wie Australien, Neuseeland und Kanada weichen musste, sollte die Organisation nicht zu einem exklusiven Club der Weißen, mit dem indischen Subkontinent als farbigem Einschlag, schrumpfen. Schon das «weiße» Südafrika war eine Mogelpackung, die dem Wind des Wandels nicht standhalten konnte. Wenn man die neuerdings unabhängigen Staaten Afrikas im Commonwealth willkommen heißen wollte,
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