Elizabeth II.: Das Leben der Queen
fort. «Aber meine Bewunderung ist nicht auf Berlin begrenzt. Der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden ist eine Inspiration für uns alle.» Das Wort «Inspiration» war eine pikante Antwort aufihre Mutter – die Queen Mother hatte bei der Einweihung des Arthur-Harris-Denkmals in London im Mai 1992 den Chef des «Bomber Command» als «inspirierenden Anführer» gepriesen. Der «inspirierende Anführer» der Vernichtung deutscher Städte und die wieder erstandene Frauenkirche als «eine Inspiration für uns alle»: Darin liegt nicht nur für die Briten die unauflösbare Dialektik dieses Kapitels ihrer Geschichte.
X
Wie Elizabeth II. das Commonwealth zusammenhielt – aber mit Margaret Thatcher nicht harmonierte
«Ein frischer Wind verwandelt diesen Kontinent.»
Harold Macmillan am 3. Februar 1960 in Kapstadt
«Die Psychotherapeutin des Commonwealth.»
Prinz Philip über seine Frau
«Der andauernde Mumpitz Commonwealth.»
Der Tory-Politiker Enoch Powell zu dem Historiker Ben Pimlott
«Warum sitzt sie immer auf dem Rand ihres Sessels?»
Elizabeth II. über Margaret Thatcher
In welches Land reist ein deutscher Bundespräsident nach seiner Wahl zuerst? Er wählt in der Regel unter dreien aus: Israel, Frankreich oder Polen. Wohin reiste die Queen nach ihrer Krönung? Ins Commonwealth. In ihrer Zeit auf dem Thron hat sie allein Kanada 22 Mal besucht, Australien fünfzehn Mal, Neuseeland zehn Mal, Jamaika immerhin sechs Mal. Noch für die Zeit vor ihrem diamantenen Thronjubiläum, für den Herbst 2011, wurde die sechzehnte Reise nach Australien angekündigt. Dort fand bereits 1999 ein Referendum statt über die Loslösung von der Krone – die abgelehnt wurde: Keines der Alternativmodelle konnte überzeugen. Jetzt möchten sich Elizabeth und Philip noch einmal als das stabilste Modell überhaupt in Erinnerung bringen und als golden
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eines der ältesten ihrer Dominien noch einmal verzaubern.In einer Welt zerbröckelnder Übereinkünfte ist es kein abwegiger Gedanke, auch im fünften Kontinent das Gefühl für Kontinuität und Dauer wachhalten zu wollen. Ohnehin beruht das Commonwealth auf reiner Zwanglosigkeit, was Prinz Philip 1969 bei einem Besuch in Kanada herausstrich: «Die Zukunft der Krone hängt von jeder einzelnen Nation ab, die zu dieser Familie gehört. Wenn eine davon beschließt, das sei für sie nicht mehr akzeptabel, dann soll sie es ändern.»
Die Einzigartigkeit der britischen Monarchie ist evident: Sie ist international, eine Krone mit globaler Ausrichtung, kein anderes Königshaus auf der Welt hat eine solche Reichweite. Abgesehen von Großbritannien, ist die Queen «Vorsitzende» («Head») von 54 weiteren Staaten, in sechzehn von ihnen auch Staatsoberhaupt. Das erschöpft und belebt Elizabeth immer von neuem, sie fühlt sich nach dem Urteil aller, die mit ihr zu tun hatten, «richtig komplett» erst als Haupt dieser ungewöhnlichen internationalen Organisation. Das wird außerhalb der britischen Inseln kaum verstanden, weshalb dort die Rolle des Commonwealth im Denken dieser Monarchin zu den am wenigsten beleuchteten Aspekten ihrer Vita gehört. Aber auch die wird erst «richtig komplett», wenn man das Commonwealth gebührend berücksichtigt.
Der weit über den Globus ausgebreitete Einfluss schenkt Großbritannien manchmal den Traum von einer Größe, die es in Wahrheit nicht mehr besitzt. Aber es ist unleugbar, dass die britische Politik von der Präsenz der Queen auf dem internationalen Parkett profitiert, vor allem in den Ländern der früher so genannten Dritten Welt. Nicht nur Staaten des früheren Empire gehören übrigens zum Commonwealth – drei afrikanische Länder sind seit 1995 hinzugestoßen, die nie englische Kolonien waren: Kamerun, Mosambik und Ruanda. Von ihnen gab es in der Bauklotzsammlung aus Hölzern sämtlicher Empire-Staaten, die Queen Mary Elizabeth zu deren viertem Geburtstag schenkte, noch keine Spur.
Das Mutterland und 54 weitere Territorien, darunter Flächen- und Bevölkerungsriesen wie Kanada oder Indien – das birgt potentielle Konflikte in sich. Kann die Monarchin allen dienen? Decken sich die Interessen in London immer mit denen, die unter wichtigenStaaten des Commonwealth dominieren mögen? Im Suez-Konflikt von 1956 beispielsweise musste die Queen als
Commander-in-Chief
ihrer Streitkräfte hinter den in Ägypten gelandeten Truppen stehen – während gleichzeitig die Mehrheit der sieben Länder, die damals außer Großbritannien das Commonwealth
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