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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Wiedervereinigung des geteilten Landes.
    Britischer als der damalige Bundespräsident kann man als Deutscher kaum sein. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Weltkriegsendeshatte auch auf der Insel große Beachtung gefunden. Fließend im Englischen, war der junge von Weizsäcker bereits 1938 ein Semester lang am Balliol College in Oxford eingeschrieben, wo er Geschichte und Philosophie hörte und seine Affinität zur englischen Welt entdeckte. Das kam ihm 1986 sehr zugute, als er am 2. Juli einer ehrenvollen Einladung des britischen Parlaments Folge leistete und als erster Bundespräsident vor beiden Häusern eine Ansprache halten durfte. Willy Brandt hatte als Bundeskanzler bereits im März 1970 vor dem Unterhaus gesprochen, auch dies seinerzeit eine Erstaufführung.
    In den 80er Jahren hatte Margaret Thatcher ihr Land nicht nur ökonomisch vorangebracht, sondern auch eine scharfe Klinge mit den Partnern auf dem Kontinent geführt. Unter der Flagge der Forderung «I want my money back» war es ihr gelungen, für die Insel so manche Konzession aus dem gemeinsamen europäischen Haushalt herauszuschlagen, denn ihr schieres Insistieren hatte die Europäer immer wieder bis in die Erschöpfung getrieben. Dem Bundespräsidenten waren diese Debatten nur zu vertraut und auch die Tatsache, dass es innerhalb Großbritanniens starke Kritik an der Eisernen Lady und ihrer Europapolitik gab. Auf diese Seite stellte sich von Weizsäcker, indem er seine Rede mit einem Plädoyer für die weitere «innere Entwicklung der Gemeinschaft» begann, damit sie «gemeinsame Stärke und Verantwortung vis-à-vis der übrigen Welt» gewinnen könne. Dafür brauche man, so rief er den Lords und den Commoners zu, «Ihre Erfahrung, Ihr nüchternes Urteil über globale Entwicklungen, Ihren Einfallsreichtum, Ihren Pioniergeist und Ihren Pragmatismus».
    Der deutsche Gast holte zum Beweis seiner Hochachtung ein klassisches Goethe-Zitat herbei, wie es Eckermann dem Weisen von Weimar am 12. März 1828 entlockt hatte: «Könnte man nur den Deutschen, nach dem Vorbilde der Engländer, weniger Philosophie und mehr Thatkraft, weniger Theorie und mehr Praxis beibringen, so würde uns schon ein gutes Stück Erlösung zu Theil werden.» Der Bundespräsident zitierte diesen Satz freilich ohne den Nachgedanken der Erlösung – das wäre seinem patriotischen Verständnis nach denn doch ein Kompliment zu viel gewesen. Was die Deutschen anden Briten so schätzten, fuhr er fort, sei, «dass sie Vernunft vor Ideologie platzieren und sich klugerweise von Dogmatismus frei und für Kompromisse bereit halten». Dabei hatten die Europäer damals mit Margaret Thatcher einen Dogmatismus erlebt, der sie so gar nicht an die klassische britische Ideologiefreiheit erinnerte, worauf der Gast auch indirekt anspielte – wisse er doch, was es heiße, einer «resoluten Verhandlungspartnerin» gegenüber zu sitzen.
    So viel Politik ließ er in seine Reden bei den Empfängen der Queen natürlich nicht einfließen, und auch Elizabeth II. beließ es bei dem traditionellen Hoch auf die deutsch-britische Freundschaft. Die Chronik von 1986 registriert nicht nur, dass die königlichen Corgis überall dabei waren, sie verzeichnet auch eine wichtige Neugründung, die bis heute Bestand hat: den Deutsch-Britischen Journalistenaustausch, der inzwischen unter der Schirmherrschaft des «Lord Weidenfeld Bursary» steht und Journalisten aus beiden Ländern für mehrere Wochen die Chance bietet, in Redaktionen des anderen Landes Erfahrungen zu sammeln. Schließlich vermeldet die Chronik noch zwei diplomatische Peinlichkeiten, die, da auf beide Seiten verteilt, den Staatsbesuch im Remis enden ließen. Als von Weizsäcker der Queen als Geschenk eine kostbare Henkelvase mit dem Motiv des Jagdschlosses Grunewald aus der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur überreichen wollte, sah er im letzten Augenblick noch das Preisschild – und zupfte es unauffällig (so müssen wir hoffen) ab. Das war aber nur ausgleichende Gerechtigkeit für die goldenen Reißzwecke, die der Bundespräsident beim Kaffeetrinken auf dem Boden seiner Tasse vorfand, wie Friedbert Pflüger, seinerzeit von Weizsäckers Pressesprecher, sich erinnert. Doch über solchen Blamagen standen die britisch-deutschen Beziehungen längst, und wir erwähnen sie auch nur als ein Stück
comic relief i
m Umfeld all der bilateralen Bedeutsamkeit.

    In die Beziehungen zwischen den germanischen Vettern mischt sich immer wieder die politische

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