Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Lichfield/Getty Images)
Ein zweites Gesetz der Verschwiegenheit neben dem, das der Queen selbst auferlegt ist, besagt, dass auch aus Unterhaltungen mit ihr kein Wort bekannt werden darf. Diskretion ist auch da – eigentlich – oberstes Gebot. Wenn wir dennoch gelegentlich etwas mitbekommen aus dieser Schweigekultur, dann nur, weil es immer wieder Indiskrete gegeben hat, die nach Begegnungen mit der Königin geplaudert haben – Freunde, Gäste, Politiker. Einiges davon floss hier und da auch bereits in frühere Kapitel dieses Buches mit ein, etwa Elizabeths Haltung zu Europa, von der Roy Jenkins in seinen Erinnerungen berichtete. Einen Leckerbissen an Indiskretion reichte im Herbst 2010 der Labour-Politiker Roy Hattersley bei einer Gedenkfeier für den verstorbenen früheren Parteichef Michael Foot. Hattersley und Foot gehörten vor 30 Jahren zum Kronrat, einem Gremium aus Spitzenparlamentariern, das sich regelmäßig mit der Queen zur Aussprache trifft. 1981 nun hatte sich König Juan Carlos von Spanien bei Elizabeth beschwert, dass Charles und Diana während ihrer Flitterwochen mit der königlichen Yacht «Britannia» auch in Gibraltar, dem zwischen Madrid und London umstrittenen Territorium am Südzipfel Spaniens, anzudocken planten; Juan Carlos war daher auch der Hochzeit von Charles und Diana ferngeblieben. Laut Hattersley muss die Königin vor dem versammelten Kronrat berichtet haben: «Ich sagte dem König, es ist mein Sohn, es ist meine Yacht, und es ist mein Hafen.» Die auftrumpfende, leicht chauvinistische Queen. Man hört förmlich heraus, wie Hattersley, der Überbringer der Nachricht, Beifall klatschte.
Manche Eingeweihte begehen Indiskretionen aus Eitelkeit, wie Expremier Tony Blair in seiner Autobiografie «Mein Weg» (2010). Das Wochenende in Balmoral, zu dem er im September 1997 nach der Beerdigung der Prinzessin von Wales angereist war, beschreibt er als «eine Mischung aus faszinierend, surreal und absolut durchgeknallt». «Utterly freaky» über eine Begegnung mit der Queen und ihrer Familie? Das hätte früher den Kopf gekostet. Aber es kommt noch gewagter. Über das Gespräch mit der Monarchin lesen wir: «Ich erwähnte, dass man jetzt aus dem Tod Dianas bestimmte Lehren ziehen müsste.» Der Politiker, der die Queen belehrt – ein starkes Stück. Selbstgefällig fährt Blair fort: «Es fiel mirnachher ein, dass dies vielleicht ein wenig vorlaut von mir war, und an bestimmten Stellen unseres Gespräches zeigte die Königin auch eine gewisse Kühle von oben herab. Aber schließlich konzedierte sie, dass man in der Tat bestimmte Lehren beherzigen müsse.» Das Verhältnis Elizabeths zu Blair war nie das beste, freilich nicht so gespannt wie das zu Margaret Thatcher. Es half dem Premierminister auch nicht, dass Cherie, seine Gattin, die für ihre antimonarchische Haltung bekannt war, sich zum Beispiel strikt weigerte, bei Begegnungen mit der Queen einen Hofknicks anzubringen. Dafür rächte sich diese mit einem Bonmot, das sie gezielt zirkulieren ließ: «Jedes Mal, wenn ich einen Raum betrete, in dem auch Cherie Blair ist, spüre ich förmlich, wie sich ihre Knie versteifen.» Man sieht: Auch die Queen – oder der Hof – weiß, wie man Etikette bricht, in diesem Fall das Diktat der Diskretion, wenn es dem eigenen Interesse dient. Die Monarchin, die nie persönlich reagieren darf, findet allemal Wege, von sich hören zu lassen.
Harold Wilson und Elizabeth tauschten gerne Klatschgeschichten aus, die der Regierungschef von Zeit zu Zeit in Kostproben an sein Team weitergab, darunter diese, die Pressechef Joe Haines unvorsichtigerweise ausplauderte: Einmal habe die Queen ihren Premier gefragt, ob er mehr wisse über die angeblichen nächtlichen Streifzüge des französischen Präsidenten Giscard d’Estaing durch Paris, auf der Suche nach wohlgeformten jungen Damen. Auf der Linie solcher menschlicher Neugier lag auch, was Jutta Falke-Ischinger für ihren Erinnerungsband «Wo bitte geht’s zur Queen?» zugetragen wurde, von einer Freundin aus der Hofgesellschaft, auch diese offenbar von Klatschsucht befallen. Nach dem Staatsdinner für Präsident Sarkozy und seine Glamour-Ehefrau Carla Bruni im März 2009 fragte besagte Hofdame die Queen: «Wie hat denn Ihrer Majestät der Abend gefallen?» Eher oberflächlich fiel die Antwort aus: «Sehr gut.» Dann, vertraulicher: «Dieser Präsident, der war ja so aktiv den ganzen Tag. Und ich bin sicher, er war auch die ganze Nacht aktiv.»
Das Schweigen
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