Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Queen, wovon er schrieb. Sie sei sich selber «höchst ungeduldig» dieser Kluft bewusst, notiert er und fährt fort: «Wenn sie von etwastief bewegt ist, kann sie aussehen wie eine Donnerwolke. Wenn der Applaus der Zuhörer sie besonders berührt, sieht sie aus wie schrecklich schlecht gelaunt.»
Vielleicht gewährt das globale Dorf, wenn es beim nächsten Staatsbesuch der Königin wieder einmal mimische Studien anstellt, mildernde Umstände bei einer Frau, die ihren Dienst mit stoischfraglosem Gleichmut versieht und dabei eben gelegentlich unfreiwillig aussieht wie eine Donnerwolke oder eine Maske aus Langeweile. Das ist weniger bemerkenswert als die schiere physische Standfestigkeit, mit der die Queen ihre Auftritte durchhält und die sie einmal, bei ihrem Staatsbesuch in den USA 1976, der Frau des sie begleitenden Außenministers Anthony Crosland so erklärte: «Sehen Sie, Susan», und dabei hob sie ihr Abendkleid leicht über die Knöchel, «man pflanzt seine Füße so auf, immer parallel. Sie müssen nur darauf achten, dass das Gewicht gleichmäßig verteilt ist.» Kinderspiel, natürlich. 85 Jahre alt und seit 60 Jahren pausenlos in der Pflicht, das Gewicht dabei «gleichmäßig verteilt».
Die Mauern des Schweigens, die um den Buckingham Palast errichtet sind, erschweren aber nicht nur unsern Blick von außen nach innen. Umgekehrt gilt das Gleiche – auch die Queen muss manchmal rätseln über die Welt da draußen, das eigene Volk, ihre
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ihre Untertanen, wie man sie mit nicht ganz ernster Absicht manchmal nennt. Da lauert mehr Vielfalt, als sie auf Reisen oder am Fernseher zu sehen bekommt. Das Leben in Palästen, von Höflingen umgeben, ist ihre Normalität, das eigentlich Absonderliche ist das Leben der anderen. Hatte sie nicht schon als Jugendliche oft am Fenster des Buckingham Palastes gestanden, auf die Mall gestarrt und sich gefragt, welches Muster hinter all der Betriebsamkeit wohl liegen möge? Wie kommt man dem bei, wie lotet man die Öffentlichkeit aus, von deren Zustimmung die Monarchie doch für ihr Weiterleben abhängt? Jenseits der regelmäßigen Analysen der öffentlichen Meinung, wie sie Sir Robert Worcester mit seinem Meinungsforschungsunternehmen Ipsos MORI seit 40Jahren für das Königshaus durchführt, gibt es nicht viele Indikatoren, die der Queen entschlüsseln, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt die Öffentlichkeit gegenüber der Monarchie stehen mag. In Momenten allgemeiner Erregung wie nach dem Tod Dianas mag das leichter zu fassen sein: Die Medien artikulierten sich damals schließlich wütend genug, um den Palast wissen zu lassen, was die Stunde geschlagen hatte.
Aber es ist wie mit Leserbriefschreibern: Die meisten äußern sich, weil sie Kritik vorzutragen haben, nur eine Minderheit drängt sich danach, Lob anzubringen. So findet es auch die Monarchie besonders schwer, das Kapital abzuschätzen, das sie in der öffentlichen Meinung besitzt. Wiederholt rettet sich der Hof daher in Zweckpessimismus, wenn es zu beurteilen gilt, wie hoch eine bestimmte Feier, ein Ereignis im königlichen Kalender, das man auf sich zukommen sieht, angesetzt werden sollte. Von Mal zu Mal gibt man sich dann überrascht über das positive Echo, vor allem in ökonomisch angeschlagenen Zeiten, in denen doch eigentlich den Leuten nicht nach Feiern zumute ist, wie man annehmen sollte.
So war es beispielsweise in den dunklen 70er Jahren, von denen hier schon die Rede war. Das silberne Thronjubiläum stand 1977 vor der Tür, die Punk-Gruppe «The Sex Pistols» hatte mit «God save the Queen,/The Fascist regime» vorgeheizt. Das Land war wirtschaftlich am Ende, der Internationale Währungsfond hatte England mit einer Anleihe unter die Arme greifen müssen, um es vor dem finanziellen Absturz zu bewahren – wem war unter solchen Bedingungen nach landesweit organisierten Festlichkeiten zumute? Die Auguren warnten denn auch, dass den Menschen unter den damaligen Umständen höchstens eine Feier auf kleiner Flamme zuzumuten sei. Irrtum: Das Thronjubiläum wurde ein Höhepunkt in den königlichen Annalen. Elizabeth ging zwischen Mai und Juli auf triumphale Fahrt durch 24 Städte ihres Landes, selbst nach Belfast und Londonderry in Nordirland, obwohl dort Bürgerkrieg herrschte, mit Terroranschlägen auf katholischer und protestantischer Seite. Die Reise durch das Vereinigte Königreich wurde eingerahmt von ausgedehnten Besuchen im Commonwealth – im Februar und März in West Samoa, Tonga, Fiji,
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