Elizabeth II.: Das Leben der Queen
der Königin schenkt ihr einen hohen Grad von Unverwundbarkeit – bis zu jener Woche nach dem 31. August 1997, als Diskretion und Zurückhaltung sie verwundbarer machten als jezuvor und man sie zwang, im Fernsehen zum Tod ihrer Schwiegertochter Diana das Wort zu ergreifen.
Wie kann man die Queen erklären? Vielleicht aus ihrer Mimik? Auch mit der ist die Welt groß geworden, in allen Phasen des Ausdrucks, wie mit Masken aus der königlichen Requisitenkammer. Viele Unterschiede zeigen sie nicht, diese Masken, entweder ist es ein strahlendes Lächeln, das auch nach 60 Jahren immer noch bezaubern kann – oder es ist dieser typische Ausdruck einer permanent überbelichteten öffentlichen Person, die jährlich Tausende von Händen berühren und Tausende von Smalltalk-Fetzen über sich ergehen lassen und dabei immer gleich heiter und neugierig erscheinen muss – aber es eben nicht immer schafft: Dann gleiten die Züge in diesen Elizabeth-Ausdruck von trübem Wetter und leichter Verbissenheit ab. Das ist eben das Problem der Mimik, mit dem jeder Mensch zu ringen hat, erst recht eine Person in so herausgehobener Stellung wie eine Königin. Es macht sie nur menschlicher.
Überraschenderweise liegen uns über diesen Aspekt der Mühsal hinter der Fassade des immer Gleichen viele Zeugnisse vor, auch aus dem Munde der Queen selber, die sich schon früh darüber Gedanken machte, wie man seine Mimik unter der Strapaze ständiger öffentlicher Beanspruchung unter Kontrolle hält. Schon auf ihrer ersten offiziellen Auslandsreise, die sie zusammen mit Philip an Stelle ihres kranken Vaters unternahm, im Oktober 1949 nach Kanada, klagte sie gegenüber ihrem Privatsekretär Sir Martin Charteris, wie sehr das Gesicht ihr weh tue bei all dem Lächeln. Und damals war sie erst 23 Jahre alt. Im November 1952, als sie als neues, noch nicht gekröntes Staatsoberhaupt ihre erste Regierungserklärung bei der Eröffnung des Parlaments vortrug, taxierten alle Augen ihre Erscheinung und ihren Gesichtsausdruck – wahrscheinlich weit intensiver, als man ihre Worte belauschte. Unter den Zuschauern auf der Besuchergalerie im Oberhaus saß einer der schärfsten Beobachter, Cecil Beaton, der Fotograf, der danach in seinem Tagebuch notierte (die britische Zeitgeschichte ist gesegnetmit Figuren des öffentlichen Lebens, die beständig Tagebücher führen und veröffentlichen, eine Fundgrube für den Historiker): «Ihre Augen sind nicht die einer geschäftigen, gejagten Person. Sie schaut auf das Publikum mit einer Andeutung von Mitgefühl, wobei die Suggestion von einem Lächeln ihren sonst sperrigen Mund aufhellt.» Das sind literaturfähige Sätze, typisch für eine Elite, die zu eigenen Gefühlen gerne Abstand hält, um desto schärfer den Ausdruck derselben bei anderen einzufangen.
Auf ihrer ersten großen Weltreise 1953/54, die fast sechs Monate dauerte, bot sich Gelegenheit genug, den «sperrigen Mund» selbstkritisch zu reflektieren, wenn Stunden um Stunden von ewigem Lächeln wieder einmal hinter ihr lagen. In den Dokumenten von dieser Reise findet sich eine Äußerung der jungen Queen gegenüber einem australischen Organisator, dem sie ihr Leid klagte: «Es ist einfach schlimm, ich habe diese Art Gesicht, bei dem ich, wenn ich einmal nicht lächele, sofort sauertöpfisch aussehe. Aber das bin ich gar nicht. Wenn man aber zwei Stunden hintereinander pausenlos lächeln muss, kriegt man schließlich ein nervöses Zucken. Doch sobald ich einmal aufhöre zu lächeln, sieht mich jemand und sagt: ‹Wie schlecht gelaunt sie aussieht!›» Darüber hatte sich schon vor Elizabeths Krönung der auf diesen Seiten mehrfach zitierte Harold Nicolson ausgelassen, der nach seiner Investitur als Ritter, von der Queen vorgenommen, in sein Tagebuch eintrug (es aber wohlweislich nicht in die veröffentlichte Fassung übernahm): «Eine gut trainierte junge Frau, die Grazie und Würde zu produzieren versteht. Gelegentlich verlor ihr Gesicht alle Lebhaftigkeit und verfiel in eine gelangweilte, fast eingeschnappte Maske.»
Später, in den 60er Jahren, als Labour an der Regierung war, erhalten wir erneut sprechende Zeugnisse in dem dreibändigen «Tagebuch eines Kabinettsministers» von Richard Crossman. Der machte sich Gedanken «über die Kluft, die manchmal existiert zwischen der Botschaft, die vom Gesichtsausdruck der Queen zu kommen scheint, und dem, was sie tatsächlich fühlt.» Crossman, der zum Kronrat gehörte, wusste aus seinen Begegnungen mit der
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