Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Neuseeland, PapuaNeuguinea und Australien, im Oktober auf den Bahamas, den Britischen Jungferninseln, in Antigua, Barbados und Kanada, 56.000 Meilen insgesamt. Die Krone – ein Perpetuum mobile.
Von dem spontanen Jubel, der sie überallhin begleitete, von dieser Demonstration der Zuneigung war Elizabeth II. ebenso überrascht wie einst ihr Großvater George V. bei seinem silbernen Thronjubiläum 1935. Beide hatten sie keine genaue Vorstellung, wie beliebt sie persönlich im Volk wirklich waren, was wesentlich mit der Kultur der Distanz zwischen dem Palast und dem Mann auf der Straße zu tun hatte, mit diesen Mauern, über die man nicht hinweg zu schauen vermochte. Aber auch mit der veröffentlichten Meinung, die sich, vielfach vom intellektuellen Gespräch beeinflusst, oft lieber skeptisch als promonarchisch gibt; das gehört zum guten britischen Ton, der im Zweifelsfall lieber ironisch als akklamatorisch daherkommt. Die Wirklichkeit sieht dann fallweise ganz anders aus. 1935 fanden sich in einigen Slums von London ergebene Slogans wie «Poor but loyal» – «Arm, aber loyal». Selbst in der englischen Arbeiterklasse, die im kapitalistischen System lange nichts zu lachen hatte, sparte man den Herrscher gerne von der Kritik aus. George Orwell erinnerte in seinem Essay «The English People» von 1947 an ein Plakat, dem er im East End Londons 1935 begegnet war: «Long live the King, down with the Landlord!» – «Lang lebe der König, nieder mit dem Vermieter!»
Die Intelligenzia schließt vor diesem Phänomen gerne die Augen, weil sie im Königtum den Inbegriff eines antiquierten, antiegalitären Prinzips sieht und nicht wahrhaben will, dass die Mehrheit der Bevölkerung schon immer von einer anderen Partitur sang. Die unten verstehen sich mit denen ganz oben im Grunde erstaunlich gut. Noch einmal sei in diesem Zusammenhang an Rudyard Kipling erinnert. «Die Leute in der dritten Eisenbahnklasse – die werden uns retten», schrieb er 1897, im Jahr des diamantenen Thronjubiläums von Königin Victoria, dieser Lobsänger des britischen Empire. Dass der Herrscher der Verbündete des einfachen Mannes sei, gilt als lang etablierter Grundsatz – er ist freilich in den letzten Jahrzehnten über den vielen Schlagzeilen zur «dysfunktionalen» königlichen Familie in Vergessenheit geraten.
Auch 1947, bei der Hochzeit von Philip und seiner Prinzessin, der Thronerbin Elizabeth, das gleiche Bild: Erstaunen über den Grad der Zustimmung, der Feierseligkeit, die man so nicht erwartet hatte in einer Zeit tief schneidender Nachkriegsentbehrungen. 55 Jahre später, im Jahr des Goldenen Thronjubiläums, noch einmal die Reprise: Die überwältigende Zuwendung, wie die Queen sie erfuhr, überraschte alle, am meisten die Republikaner, die Anhänger einer britischen Republik, die schon gedacht hatten, ihre Zeit sei nach 1997 gekommen, die Monarchie habe sich überlebt. Diesem Irrtum war man bereits im Frühjahr dieses Jubiläumsjahres 2002 aufgesessen, als die Queen Mother mit 101 Jahren verschied: ein Tod, der eigentlich nur noch einen Nachruf auf das Königtum selber verdiente. Die Hunderttausenden, die der in der Westminster Hall aufgebahrten Königinmutter die letzte Ehre erwiesen, widerlegten diese Annahme nur zu sichtbar.
Dennoch: Der Hof kann und will sich nie ausruhen auf vermeintlich sicherem Boden der Akzeptanz, gerade die Langlebigkeit der Institution Monarchie kann Ängste wecken, dass eines Tages alles wie ein Traum zerplatzt. Für diesen Augenblick hat Prinz Philip bereits vor langen Jahren den vorauseilenden Kommentar abgeliefert, den wir hier bereits teilweise zitiert haben. Seine Äußerungen, die er 1969 auf einer Pressekonferenz in der kanadischen Hauptstadt Ottawa machte, bezogen sich zunächst auf Tendenzen in dem lange königstreuen Kanada, aus dem Commonwealth auszuscheren und der Queen als Staatsoberhaupt gleichsam die Kündigung auszusprechen. Philips Worte galten aber auch dem heimischen Publikum: «Wenn ihr uns nicht mehr wollt, dann lasst uns die Beziehung auf freundschaftliche Weise beenden, nicht im Streit. Die Zukunft der Krone hängt von jeder einzelnen Nation ab, die zu dieser Familie gehört. Wenn eine davon beschließt, das sei für sie nicht mehr akzeptabel, dann soll sie es ändern. Es kommt auf die Menschen selber an.»
Gedanken über die Akzeptanz der Monarchie muss sich vor allem ihre langjährige Trägerin machen, die Queen. Zur Erbmonarchie gehört schließlich die Idee, dass da ein Erbe
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