Elke, der Schlingel
wirklich hineinging.
Wir wollen ehrlich sein: Bis jetzt
hatte Fränzi die Falle tagsüber aufgestellt, während die Maus schlief, und wenn
es dunkel wurde und das kleine Tier Futter suchen kam, hatte sie die Falle
entspannt. Es war so eine kleine Falle, die jeder kennt, wo ein Eisenbügel
zurückschnellt, wenn das Brettchen mit dem Köder berührt wird. Aber Fränzi
konnte das jetzt nicht so weitermachen. Sie sollte endlich die tote Maus
bringen.
„Fränzi, wenn’s weiter nichts ist!“
Elke lachte. „Das hättest du doch schon lange sagen können, daß du eine tote
Maus vorzeigen mußt. Ich bestelle mir einfach eine bei meiner Freundin Katje.
Bei denen wohnt unten im Haus ein Bäcker, und der hat immer so viel Mäuse, daß
Katjes Mutter Fallen aufstellen muß. — Ich mag bloß keine tote Maus anfassen!“
fügte Elke nach einer kleinen Pause ein wenig schaudernd hinzu.
„Wie meinst du das?“ fragte Fränzi.
„Meinst du, ich soll die fremde Maus vorzeigen?“ Sie fragte das weniger, weil
sie Elke nicht verstanden hatte, sondern weil Elkes Gedanke ihr reichlich
verwegen vorkam. Elke fühlte das sofort heraus und antwortete: „Ich nehme alles
auf mich, wenn es mal rauskommt. Mein Onkel Bernhard sagt auch, daß Mäuse ganz
wunderhübsche Tiere sind. Er steht mir bestimmt bei, wenn Mutti was merkt und
die Maus doch noch lebt.“
„Das ist wahr, dein Onkel Bernhard
steht dir immer bei. Aber er ist ja nicht hier in Hamburg, sondern in
Stuttgart“, hatte Fränzi einzuwenden.
„Aber er besucht uns bald!“ fertigte
Elke diesen Einwand ab. „Gleich wenn die große Ausstellung vorbei ist“, fügte
sie dann noch hinzu, denn sie war sehr stolz auf ihren Onkel, der als Maler in
großem Ansehen stand und Bilder malte, die sie restlos bewunderte.
Darauf verließ sie das Zimmer und ging
mit leisen Schritten den langen Korridor hinunter, um sich in dem kleinen
Zimmer neben der Wohnungseingangstür, das als Kleiderablage diente, zum
Fortgehen fertig zu machen. Fränzi ging hinter ihr her.
„Über Minimax sprechen wir dann noch“,
sagte Elke leise, während sie sich ihren neuen blauen Mantel mit dem kleinen
weißen Kragen anzog und die rote Wollmütze aufstülpte. Dann war sie fort, und
Fränzi ging an ihre Arbeit, die erstmal darin bestand, daß sie in Elkes Zimmer
das Bett ausfegte, das Fenster aufmachte und den Waschtisch in Ordnung brachte.
Fränzi hielt sehr viel von Elke und arbeitete besonders gern in ihrem Zimmer.
So ein Mädel wie Elke hat es doch eigentlich gut, dachte Fränzi jetzt. Hat doch
eigentlich alles, was ihr Herz begehrt. Der Vater ist Überseekaufmann und hat
sicher viel Geld. Bestimmt hat er das — könnte die Familie sich sonst diese
große Wohnung leisten? Und die schönen Sachen, die Tadsens alle haben: Bilder
und Teppiche und sogar einen Flügel. Na, einen Flügel würden sie ja vielleicht
auch haben, wenn sie nicht so viel Geld hätten, den haben sie, weil Elkes
Schwester Gisela so musikalisch ist. Aber von dem allem abgesehen — Elke hat es
wirklich gut! Alle sind nett zu ihr, alle verwöhnen sie geradezu, was ja auch
kein Wunder ist, wo sie noch als kleine Nachzüglerin angekommen ist, als ihre
Geschwister schon ziemlich groß waren. Anke, Elkes älteste Schwester, ist mehr
als zehn Jahre älter als Elke. Ulf ist jetzt, wo Elke noch in der untersten
Klasse der Höheren Schule sitzt, auch schon neunzehn Jahre alt und schon lange
bei dem Vater im Geschäft, Jens sitzt in der Prima, und Gisela ist auch schon
in einer ziemlich hohen Klasse. Dann die Jüngste zu sein, das soll einem wohl
gefallen!
Aber im gleichen Augenblick
berichtigte Fränzi ihren Gedanken wieder’. Ihr war etwas eingefallen, was sie
an Elke gar nicht so beneidenswert fand: Elkes Onkel Bernhard hatte einmal
gesagt, Elke hätte eigentlich nicht wie andere Kinder zwei Eltern, sondern
sechs Eltern. Und das war wirklich so, denn die vier älteren Geschwister
erzogen immerfort mit an Elke herum. Der eine hatte dies auszusetzen, der
andere das. Anke war es nicht recht, wenn Elke mal etwas Süßes aß, das verdürbe
nur den Magen und die Zähne, Ulf fing immer wieder davon an, daß Elke sich
Zöpfe wachsen lassen sollte, er mochte kurzgeschnittenes Haar nicht leiden.
Jens dibberte fortwährend an Elkes Haltung herum— „so lang wie du bist und dann
so schlaksig!“ hörte man ihn fast täglich zu der kleinen Schwester sagen. Oder
er warf ihr vor, daß sie nicht genügend Interesse für Sport hätte. Und daß sie
im Turnen
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