Elke, der Schlingel
nur eine Zwei hatte! Einfach entsetzlich fand Jens das. Und Gisela,
die sonst immer so still war, fand an Elke auch immer alles mögliche
auszusetzen. Mal las Elke ihr zuviel, mal las sie ihr zuwenig. Und warum war
Elke immer mit den Schularbeiten so schnell fertig! Als wenn die Kleine was
dafür konnte, daß sie nicht so dumm war und alles spielend in ihren Kopf
hineinging!
Fränzi trat ans Fenster, um es wieder
zu schließen und nur die Luftklappe offen zu lassen. Sie hielt den Arm hinaus.
Was? War das Wetter umgeschlagen? Regnete es? Es konnte nichts schaden, wenn es
wieder Tauwetter geworden war, denn mitten im November so ein harter Frost wie
in der vergangenen Woche, das war nicht in Ordnung.
Ein leises Knabbern wurde hörbar. Ach,
wieder die Maus! dachte Fränzi. Was Elke bloß’an dieser Maus hat! Aber es war
ja gar nicht mit ihr zu reden — die Maus ist süß — die Maus ist entzückend —
die Maus ist wunderbar, antwortet Elke und macht ihr allergleichgültigstes
Gesicht, wenn jemand was sagt. Und
dabei- - — das ist doch nun bestimmt wahr: Mäuse sind wirklich ganz gewöhnliche
Tiere!
Aber trotz dieser Feststellung steht
Fränzi doch ganz mucksmäuschenstill, vielleicht kommt Minimax unter dem Schrank
hervor, sie hat Minimax lange nicht gesehen. Und richtig — hinter dem rechten
Vorderbein von Elkes Kleiderschrank guckt jetzt ein Mausekopf hervor, ein ganz
allerliebstes Gesichtchen mit großen, blanken Perlaugen und einem emsig
schnuppernden Näschen.
Nee — denkt Fränzi bei diesem Anblick.
Sie ist doch süß! Sie ist sicher eine andere Sorte als die großen dicken
Speckmäuse, die man sonst immer in den Wohnungen hat. Wir wohnen im Erdgeschoß
— vielleicht ist sie aus dem Garten durch die Veranda vorne hereingekommen.
Schon hatte sich das Mäuschen aus
seiner Deckung hinter dem Schrankbein ganz hervorgewagt.
Klar, daß das keine gewöhnliche
Hausmaus ist, stellte Fränzi bei sich fest, ihr Fell ist ja braun und nicht
grau. Und dann gab Fränzi sich einen Ruck. Ach was, ja, ich tu’s. Ich tu das
mit der toten Maus vom Bäcker. Minimax ist zu niedlich, um totgemacht zu
werden. Und wenn Elkes Onkel Bernhard zu Besuch kommt — der wird uns schon
beistehen, wenn die Geschichte rauskommen sollte!
Fränzi war selber noch ein halbes Kind
und deshalb nur allzusehr geneigt, Elke in ihren übermütigen Plänen
beizustehen. Die Sache, um deretwillen Elke heute morgen schon in aller Frühe
fortgegangen war, war auch so ein Beispiel dafür. Fränzi wußte, um was es sich
drehte, als Elke so früh aufgestanden und so früh fortgegangen war. Die Klasse
wollte ihrer Deutschlehrerin, dem sogenannten „Stummelschwänzchen 11 ,
einen Streich spielen, und Elke war die Anführerin bei der Sache. Wenn man so
sagen konnte „Anführerin“, denn anzuführen gab es eigentlich gar nichts, sondern
nur anzumalen, ein Bild an die Wandtafel zu malen, und das sollte Elke tun,
weil sie so gut zeichnen und malen konnte.
Fränzi denkt in diesem Augenblick gar
nicht mehr an die Maus und. schlenkert vor Vergnügen mit der Hand durch die
Luft. Minimax verschwindet mit einem erschrockenen Satz unter dem
Kleiderschrank.
Fränzi verläßt das Zimmer, um mit
ihren morgendlichen Säuberungsarbeiten im Wohnzimmer zu beginnen. Es gehen
jetzt Türen, und man hört Stimmen und Schritte —- die Familie Tadsen beginnt
ihren Tag.
Eine ganze Weile wird Fränzi nicht
gestört in ihrer neu in Angriff genommenen Arbeit im Wohnzimmer, und sie kann
wieder in Ruhe ihre Gedanken wandern lassen. Elke hat sich gestern auf einem Zeichenbogen
vorgezeichnet, was sie mit bunter Kreide an die Wandtafel malen will. Es ist
ein ganz großartiges Bild geworden, und hoffentlich gerät es auf der Wandtafel
ebenso gut. Wie Elke das nur alles so kann — man kann die beiden Personen auf
dem Bilde wirklich gut erkennen: Fräulein Samtleben, das Stummelschwänzchen,
das bei den Kindern deshalb so heißt, weil aus ihrem Haarknust hinten immer so
leicht ein kleines Schwänzchen herausguckt, und der Herr Direktor. Sie tanzen
zusammen. Sie haben neulich auf dem Schulfest zusammen getanzt, und das hat
Elke abgemalt. Aber das ist nicht die Hauptsache an dem Bild. Die Hauptsache
ist das Schwänzchen, das hinten aus Fräulein Samtlebens Haarknoten hervorguckt.
Elke hat dieses Schwänzchen mit einer rosa Schleife versehen — es sieht zum
Lachen aus! Was die Lehrerin wohl sagt, wenn sie das Bild an der
zusammenklappbaren Wandtafel plötzlich entdeckt! Wenn sie
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