Elke im Seewind
reicht sie weiter zu zwei Kollegen, die unten im schaukelnden Boot stehen. Einer nach dem anderen kommt auf diese Weise dran, ob er will oder nicht. Heraus aus dem Schiff müssen die Helgolandfahrer. Die Zuschauer amüsieren sich köstlich, nun, sie haben gut lachen. Sie wollen nach Sylt oder Amrum, und sowohl in Hörnum am Südende von Sylt, wie auch in Norddorf auf Amrum gibt es feste Anlegebrücken.
Hinter Helgoland ist es lange Zeit immer dasselbe, Himmel, Wolken, Möwen und das ziemlich leergewordene Schiff. Bleichgesichtige Menschen sitzen verzagt in den Kajüten, andere bleiben lieber an der frischen Luft mit ihren Magensorgen. Lotti ist von Frau Schwarz auf einen Liegestuhl gebettet worden. Es geht ihr jetzt wieder ein wenig besser.
Unsere drei anderen geben im Augenblick ziemlich an. Eingehakt schlingern sie im breitbeinigen Seemannstrott lachend über das fast menschenleere Deck. Sie sind stolz, daß sie zu den „Seefesten“ gehören, und wollen sich zeigen. Nun, es ist zu verstehen, daß der Übermut sie ein bißchen gepackt hat.
Ruth, die kleine Blaßschnut, hat richtig schon ein bißchen Farbe bekommen durch die Seefahrt.
„Sylt in Sicht!“ schreit plötzlich irgend jemand, und die Kinder jagen nach vom zum Bug. Da stehen bereits ziemlich viele Menschen, und einer erklärt: Das Weiße links
— das sind die hohen Sanddünen der Südspitze von Sylt, und das mehr Dunkle rechts — das ist die Insel Amrum.
Anderthalb Stunden später atmet. Lotti befreit auf. Sie hat endgültig wieder festen Boden unter den Füßen. In Hörnum mußten die Amrumreisenden in ein kleines Schiff umsteigen. Mit diesem ging es flott nach Norddorf hinüber, und von da mit einer lustigen kleinen Bimmelbahn weiter nach dem hübschen, grünen Dorf Nebel.
Die Kinder bekommen im .Haus Halligblume’ je zwei und zwei ein hübsches Zimmerdien. Das Zimmer von Elke und Katje ist in gelb und weiß gehalten, das von Ruth und Lotti in himbeerrot und weiß. Die Pensionsinhaberinnen Frau Petermann und ihre Mutter, Frau Brunkhorst, sind nette, fürsorgliche Damen. In beiden Zimmern steht zum Empfang ein hübscher Strauß aus hell-lila Halligblumen und ein kleines Teilerchen voll Stachelbeeren. Die Kinder haben sofort ein heimatliches Gefühl.
Abends werden sie ermahnt, nicht zu lange zu schwatzen, damit ihr Schlaf nicht zu kurz kommt. Aber Elke zwinkert Katje heimlich zu, und dieses Zwinkern bedeutet: „Du, wenn wir im Bett liegen, erzähl ich dir das Feine. Du weißt doch — was mein Bruder Ulf mir erzählt hat. Sollst sehen, was wir für einen Spaß haben werden.“
Elke unterschätzt die kräftige Nordseeluft. Kaum haben die Mädel sich ins Bett gelegt und angefangen, sich wohlig zu strecken, da schlafen sie auch schon ein.
Drittes Kapitel
ERSTE ERLEBNISSE
Als die Kinder am nächsten Morgen mit der alten Frau Brunkhorst ins Dorf gehen, um dort einige kleine Einkäufe zu machen — Postkarten, Briefmarken, Sicherheitsnadeln —, weiß Katje bereits Bescheid über Elkes „Geheimnis“. Sie ist enttäuscht. Sie hat sich nach der Begeisterung, die Elke an den Tag legte, etwas ganz anderes vorgestellt. Elke hat ihr nur die Geschichte von Robinson Crusoe erzählt — das war alles. Gewiß, das ist eine nette Geschichte, und Elke findet, daß sie die am Strande aufführen können — vielleicht geht das auch. Aber brauchte Elke deshalb so zu tun, als wenn sie eine wer weiß wie wunderbare Entdeckung gemacht hätte?
Die Kinder gehen augenblicklich mit Oma Brunkhorst ein wenig auf dem Friedhof umher, der um die kleine, alte, strohgedeckte Kirche herum liegt. Sie bekommen seltsame, große Grabsteine aus dem 17. und 18. Jahrhundert gezeigt. Die haben vielfach auf beiden Seiten eine Inschrift; die ganze Lebensgeschichte der wohlhabenden Seefahrer, deren Gräber sie schmücken, steht in sie eingemeißelt. Es sind interessante Steine, und Frau Brunkhorst kennt sich gut aus in dem „Goldenen Zeitalter“ der Amrumer, wo sie als Seefahrer und Walfischfänger viel Geld verdienten. Sie erzählt lebhaft und anschaulich. Aber die Mädel sind trotzdem nicht aufmerksam. Vielleicht, weil alles Gehörte mit Grabsteinen zusammenhängt. Auch Elke paßt schon seit einer Weile nicht mehr ordentlich auf, und eben hat sie sogar damit angefangen, Katje wieder von ihrem Robinsonplan zu unterhalten.
„Das mußt du doch einsehen“, redet sie leise auf die Freundin ein, „weil Robinson auf einer einsamen Insel spielt, geht alles sehr schön. Amrum ist
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