Elke im Seewind
sie dann fort. „Der kann höchstens Robinsons Sohn sein.“
„Robinsons Sohn? Du hast dir, glaube ich, schon einen ganzen Roman ausgedacht’, meint Katje daraufhin, „In der Geschichte, die Ulf dir erzählt hat, hat Robinson doch gar keinen Sohn.”
„Wer ist denn das nun schon wieder: Ulf?’ fährt Lotti dazwischen.
„Mein ältester Bruder, wenn du erlaubst!’ sagt Elke.
Gut, daß in diesem Augenblick Frau Brunkhorst aus dem Gemüseladen wieder herauskommt. Die vier Reisegefährtinnen müssen sich anscheinend erst ein bißchen die Hörner aneinander ablaufen, ehe das notwendige gute Einvernehmen sich einstellen kann. Na, sollen sie. Wenn das sonnige Wetter anhält, werden sie sowieso bald nicht Lust und Zeit mehr dafür haben, langatmige Streitfragen zu erörtern. Dann wird am Strand oder in den Sanddünen gespielt, gebadet, gebuddelt — Sonnenbäder werden genommen und Wettkämpfe im Ballfangen ausgetragen — ach, man hat an der See ja soviel zu tun — kaum, daß man dazu kommt, eine Postkarte zu schreiben!
Nachdem die Mädel ihre Kleinigkeiten besorgt haben, schlägt Frau Brunkhorst mit ihnen den Weg zum Wattenmeer ein. Sie kommen schnell heraus aus dem Dorf mit seinen hübschen, weißen, strohgedeckten Friesenhäusern — auch die Pension Halligblume ist so ein Friesenhaus —, und stehen dann vor weiten, grünen Wiesen, den Wiesen am Wattenmeer. Wattenmeer? Wo ist denn das Wattenmeer? Da, wo die grünen Wiesen aufhören, ist doch nichts als eine weite, graue Schlammfläche. Große Scharen von Möwen und andern Vögeln sitzen da, und an vielen Stellen sieht das Graue ganz blank und naß aus! Ja, das ist das Wattenmeer, aber da augenblicklich Ebbe ist, ist das Wasser von seinem flachen, schlickigen Untergrund abgeflossen. Nur einzelne Rinnen sind noch voll Wasser, das sind die sogenannten Priele, vor denen man sich beim Wattlaufen in acht nehmen muß, weil sie teilweise sehr tief und reißend sind. Deshalb darf man niemals bei heraufkommender Flut wattlaufen. Es kann nämlich geschehen, daß das ganze Watt dann vielleicht gerade eben ein bißchen mit Wasser bedeckt ist, so daß man nicht mehr erkennen kann, wo ein Priel ist.
Die Mädel freuen sich aufs Wattlaufen und versprechen gern, sehr vorsichtig zu sein und nur bei ablaufendem Wasser aufs Watt zu gehen und dann auch nicht zu weit hinaus. Natürlich würden sie es am liebsten gleich mal probieren. Aber dazu langt die Zeit heute morgen nicht, denn Frau Brunkhorst will vorm Mittagessen auch noch mit ihnen zum Weststrand, zum offenen Meer, und es ist ein ziemlich weiter Weg bis dahin.
Die fünf Spaziergänger gehen jetzt an einem großen Bauernhaus vorbei, an grasenden Kühen, Pferden, Schafen und Gänsen, und sie biegen dann in einen Pfad ein, der durch ein fast reifes Kornfeld führt. Es ist ein Roggenfeld, ein mageres Roggenfeld, dem man anmerkt, daß es auf dürftigem Boden steht. Ja, da, wo die Kinder jetzt gehen, hat schon das weite Heidegebiet, das den Kern der Insel Amrum bildet, begonnen. Ein Teil dieser Heide ist urbar gemacht worden, aber der weitaus größere Teil liegt unberührt da. Der Boden ist gar zu wenig ertragreich, und die fast ständig wehenden Westwinde sind dem Wachstum anspruchsvollerer Pflanzen ja auch nicht dienlich.
Die Kinder freuen sich, daß es hier so schön viel Heide gibt. Das Heidekraut hat schon angefangen zu blühen, und sie haben auch bereits Blaubeeren entdeckt — Bickbeeren, wie man in Hamburg sagt. Nur sind es leider gar keine Bickbeeren, sondern es sind zwei andere Sorten kleiner schwarzer Beeren. Die einen heißen Krähenbeeren, und die werden gern von den Staren verspeist, die es jeden Sommer in großen Scharen auf der Insel gibt, und das andere sind Moosbeeren. Die Moosbeeren werden von den Einheimischen gesammelt und zu Marmelade und Kompott verkocht. Roh gegessen schmecken sie langweilig.
Auf einem kleinen Hügel angekommen, zeigt Frau Brunkhorst den Mädeln einen Weg, der drüben, von Nebel aus, schnurgerade durch die Heide führt hinüber zu einem Kiefernwald. Das ist der Weg, den die Kinder immer gehen müssen, wenn sie von der „Halligblume“ aus zum Strand wollen,
„Meine Geschwister haben gesagt, daß das offene Meer weit weg ist von dem Dorf Nebel“, berichtet Elke.
„Es ist auch weit weg“, bestätigt Frau Brunkhorst. „Denn wenn der Kiefernwald aufhört, ist da noch lange nicht der Strand. Wenn man zum Strand will, muß man noch eine gute Viertelstunde über eine weite
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