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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Plan unterbreiteten, haute sie uns mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Sie haute uns manchmal, oder besser gesagt, sie versuchte es, denn sobald sie ausholte, rannten wir davon. Allerdings hatten wir gedacht, dass ihr die Sache mit dem Zirkus gefallen würde, und so traf uns ihr Schlag unvermutet.
    »Lauf, Karl!«, schrie mein Bruder aus dem Fenster. Ich stand im Garten und hatte die Kratzlerin nicht kommen sehen. Dieses Mal drohten mir keine Prügel, sondern der Kamm, den sie in ihrer Rechten hielt.
    Nur meine Mutter durfte meine störrischen Haare bürsten, und meine Mutter war seit elf Tagen tot. Etwas, das an das Nest eines expressionistischen Vogelpärchens erinnerte, zierte meinen Kopf. Frau Kratzler hatte panische Angst, dass mich Läuse befallen könnten.
    »Schneller, Karl«, rief Herr Murmelstein – das Murmeltier, wie Hanna ihn getauft hatte – aus einem anderen Fenster.
    Nur wir vier waren zu Hause, sämtliche Sommergäste spazierten an diesem Julinachmittag durch den Bayerischen Wald oder sonnten sich am Stausee.
    »Lauf!«, schrie Lorenz noch einmal.
    Ich rannte, so schnell ich konnte. Die Innenseiten meiner speckigen Oberschenkel rieben aneinander, es brannte fürchterlich. Frau Kratzlers Entschlossenheit, meine Haare vor einer Läuseplage zu schützen, verlieh ihr ungeahnte Kräfte.
    So hechelten wir durch den Garten, ein dicker achtjähriger Junge und die vielleicht älteste Frau der Welt.
    »Lassen Sie doch das Kind in Ruhe, Kratzler, Sie böse Person.« Das Murmeltier und unsere Haushälterin verachteten einander zutiefst und gaben sich wenig Mühe, das zu verbergen.
    Das Murmeltier lebte schon seit zehn Jahren bei uns.
    Eigentlich hatte er sich damals nur auf der Durchreise befunden, aber dann krachte mitten auf der Hauptstraße ein Kabrio frontal in seinen Opel Admiral, und der Wagen erlitt einen Totalschaden. Das Murmeltier deutete den Unfall als Fügung des Schicksals und blieb in unserem Dorf.
    Seither wohnte er in einem Zimmer im oberen Stockwerk, und der kaputte Opel Admiral verrottete in unserer Scheune.
    Das Murmeltier war über sechzig, seine Haare grau, und oben links fehlten ihm drei Zähne: der Schneidezahn, der Eckzahn und der daneben. In der Lücke steckte meist ein qualmender Zigarrenstumpen.
    Er hatte die ganze Welt bereist und doch nichts von ihr gesehen. Schuld an diesem Versäumnis waren die Frauen. Tausende von Frauen, die das Murmeltier in ihre Schlafgemächer und Hotelzimmer gelockt hatten. Zwischen ihren Beinen vergaß er all die Pläne und Ziele, die ihn einst dazu bewogen hatten, seine Koffer zu packen. Jahrzehnte später kam die Nacht, in der er zwar wollte, aber nicht mehr konnte. Weder die vollsten Lippen noch die geschicktesten Hände brachten seinen Schwanz wieder zum Stehen, und auch kein Arzt. Das Leben verlor augenblicklich seinen Sinn, und so machte er sich auf den Weg zurück zum Ausgangspunkt seiner Reise – einem Ort an der österreichischen Grenze, nicht größer als unser Dorf –, in der Hoffnung, dort seine ursprünglichen Wünsche und Träume wiederzufinden. Getrieben von einer ungeheuren Wut auf alle Weiber dieser Erde, raste er mit 140   Stundenkilometern über unsere Hauptstraße. Der Fahrer des entgegenkommenden Autos befand sich, ebenfalls die Geschwindigkeitsbegrenzung missachtend, nach einem Überholmanöver auf der falschen Spur.
    Beide blieben wie durch ein Wunder unverletzt.
    Es war das ›Internationale Jahr der Frau‹, das Jahr, in dem Bill Gates und Paul Allen Microsoft gründeten, das Jahr, in dem der Vietnamkrieg endete, und laut Berechnung der Zeugen Jehovas das letzte Jahr überhaupt. Aber in unserem Dorf ging 1975 als das Jahr des Unfalls in die Annalen ein. Dafür sorgte mehr noch als das Murmeltier der zweite Protagonist des Geschehens: Viktor Janneck, ein junger Schweizer Privatier. Auch die Überreste seines roten Kabrios Mercedes Roadster 300 SL fanden einen Platz in unserer Scheune.
    Viktor verbrachte eine Woche in der Oberpfalz. Am achten Tag verschwand er in einem ADAC -Leihwagen und nahm Mathilde, die schönste Frau des Dorfes, mit. Dass Mathilde Gröhler, geborene Wiesinger, bereits verheiratet war und nicht nur drei Koffer, sondern auch ihre einjährige Tochter im Auto verstaute, bereicherte die Angelegenheit um weitere pikante Details.
    Obwohl es nur zwei Augenzeugen gegeben hatte – meine schwangere Mutter, die gerade in dem 40   cm tiefen Mühlbach planschte, und Mathildes Mutter Frau Wiesinger, die Wirtin des

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