Email ans Universum (German Edition)
sie sich wie Teile eines FTL-Internets (faster than light – schneller als Licht) oder kosmischen Internets verhalten. Könnte ich auf diesem Weg eine Botschaft an meinen Großvater schicken, würde das wohl mein gesamtes Universum in einem solchen Ausmaß verändern, dass ich letztlich nicht mehr existieren würde. (Mein Großvater würde vielleicht einen Schock erleiden, auf der Stelle tot umfallen, sich daher nicht mehr fortpflanzen und meinen Vater zeugen können.) Wir können dieses Modell entweder als unmöglich zurückweisen oder es führt uns zu dem Modell der Paralleluniversen: Ich bin hier in diesem Universum, aber im Universum gleich nebenan wurde ich durch die Botschaft entfernt – also habe ich die Botschaft nie abgesendet. Erinnert euch das ein wenig an den Farmer aus Kerry?
Ein sogar noch radikalerer Ableger dieser Vorstellung wurde von Dr. John Archibald Wheeler entwickelt. Dr. Wheeler schlug vor, dass jedes atomare oder subatomare Experiment, das wir machen, jedes einzelne Teilchen des Universums verändert, auf welchem Weg in der Zeit es sich auch befindet, bis hin zurück zum Urknall. Das Universum wird so zu einer fortwährenden Schöpfung, wie im Sufismus, jedoch sind die Schöpfer in diesem Fall Atomphysiker und nicht Allah. Dreht sich Yeats im Grab um? (Er würde natürlich Barden als Schöpfer einsetzen und nicht bloß Vermesser und Berechner, denn es war immer noch der menschliche Geist, der „das Ganze“ erschaffen hat.)
Dr. Bohms dritte Variante, die Modifizierung unserer Vorstellungen von Raum und Zeit, könnte uns sonst wohin führen … einschließlich zurück zu den Vorstellungen von Berkeley und Kant, dass Raum und Zeit außerhalb menschlicher Projektion nicht existieren, ganz so wie anhaltende optische Täuschungen. (Manch einer mag denken, dass dies bereits mit der Relativität aufgezeigt wurde … ein anderer würde wieder Yeats in Erinnerung rufen und diesen Farmer aus Kerry …) Alle Teilchen bleiben weiter miteinander verbunden, weil sie sich niemals in Raum und Zeit bewegen, denn Raum und Zeit existieren nur „in unseren Köpfen“.
Inzwischen hat ein gewisser Dr. Harrison vorgeschlagen, dass wir die aristotelische Logik abschaffen sollten. Mit anderen Worten sollten wir es aufgeben, Dinge nur in die zwei Kategorien „wahr und real“ oder „falsch und nicht real“ zu klassifizieren. Dazwischen, in dem von Aristoteles ausgeschlossenen Dritten, haben wir das von Neumann 1933 vorgeschlagene „Vielleicht“, die von Korzybski vorgeschlagene Logik der Wahrscheinlichkeiten (Prozentsätze/Risiken), die vierwertige Logik eines Rapoport (wahr, falsch, unbestimmt und bedeutungslos) und einige andere Systeme, die von der nicht-hibernischen Welt bisher nicht entdeckt wurden. Der Farmer aus Kerry würde wesentlich geschickter damit umgehen als der durchschnittliche Gelehrte irgendeiner Universität außerhalb Irlands.
Und so erkennen wir, dass zwei Iren, Hamilton und Bell, die Mehrheit der Physiker stellen, die Probleme auf eine Art und Weise erörtern, so dass sie wie ein Symposium inmitten von Berkeley, Swift, Yeats, O´Brien und Joyce klingen. Durch ihre Literatur hat das auf irischem Englisch aufgebaute lyrische Ich das geschriebene Wort transformiert. Und jetzt haben ihre Mathematiker, die in demselben neurolinguistischen Umfeld aufgewachsen sind, unsere grundlegenden Vorstellungen von „Realität“ revolutioniert. In diesem Licht betrachtet, benötigt „Realität“ wohl kaum noch die fragwürdigen Anführungszeichen, die ich ihr verliehen habe.
Nachtrag 2004: Zwei Giganten der Quantenmathematik, Schrödinger und Dirac, verbrachten beide einige Zeit am „Institute for Advanced Studies“ in Dublin. Tatsächlich schrieb Schrödinger dort sein wichtigstes mathematisches Buch What is Life? (1948), in welchem er Leben als eine Funktion negativer Entropie definiert. Diese Idee schien so radikal, dass niemand sie begreifen konnte, bis schließlich Wiener und Shannon zeigten, dass sich Information genauso wie negative Entropie verhält. Information = der Teil einer Botschaft, den du nicht erwartet hast; der unvorhersehbare Teil.
Oder, wie Wiener einst sagte, besitzt große Poesie einen hohen Informationsgehalt und politische Reden tatsächlich gar keinen.
Und deshalb ist Leben = negative Entropie = hoher Informationsgehalt = Überraschung und anfängliche Verwirrung = darin einzutauchen, wo man zuvor nicht eingetaucht war …
Habt ihr es?
Gedanken zum
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