Email ans Universum (German Edition)
treffen sich auf der Strasse. „Schmuddeliges Wetter für diese Jahreszeit“, wagt der erste zu sagen.
„Ja, natürlich“, entgegnet der zweite, „es ist für alles nicht die richtige Jahreszeit, Mann.“
Man kann das mit dem chinesischen Sprichwort: „Sommer wird niemals Winter, Kinder werden niemals alt“ vergleichen. Einsteins Relativität und Dalis schmelzende Uhren gehören zu demselben Universum wie diese hibernisch-chinesischen Exzentriken.
In County Clare und dem Westen im Allgemeinen hört man häufig die grammatikalische Wendung: „Mein Onkel war eines Nachts damit beschäftigt, die Schweine zu füttern, und ich ein Mädchen von sechs Jahren …“ (diesen Satz hört man auch in Synges Theaterstücken – in jedem einzelnen von ihnen). Irgendwo anders in der englischsprachigen Welt würde es folgendermaßen lauten: „Mein Onkel war eines Nachts damit beschäftigt, die Schweine zu füttern, als ich ein Mädchen von sechs Jahren war …“ Das irische Englisch hat die Grammatik des irischen Gälisch beibehalten, aber es bewahrt dadurch die zeitlose oder taoistische Wahrnehmung der Welt, in der jedes Jetzt existiert, aber kein Jetzt jemals ein anderes Jetzt wird.
Dieses neurologische Muster – oder Realitätstunnel – manifestiert sich allerdings nicht nur in irischer Sprache und Literatur. William Rowan Hamilton, einer der größten Mathematiker Irlands – wahrscheinlich der größte von allen – leistete viele Beiträge, doch zwei von ihnen sind hier von speziellem Interesse:
1. Hamilton erfand die nicht-kommutative Mathematik, welche ich zu erklären versuche. In der Arithmetik ist 2 x 3 = 3 x 2 oder sie sind beide gleich 6 (wenn man im Laufe des Abends nicht zu viele Halbe getrunken hat). Gewöhnliche Algebra, also die einzige Algebra, die die meisten von uns in der Schule lernen, folgt der gleichen Regel: a x b = b x a. Jeder weiß das, oder? In Hamiltons Algebra ist a x b NICHT = b x a.
Ein weiteres Beispiel „asiatischen“ Einflusses? Mehr vom keltischen Zwielicht? Nun gut, in der reinen Mathematik kann man jedes beliebige System erfinden, solange es nur in sich konsistent bleibt. Herauszufinden, inwieweit es eine Ähnlichkeit zu der experimentellen Welt besitzt, bleibt der Job von Physikern oder Ingenieuren. Es dauerte über 100 Jahre, bis für Hamiltons Algebra eine entsprechende „Passform“ gefunden wurde, was schließlich die Physik revolutionierte. Hamiltons Mathematik beschreibt die subatomare Quantenwelt, was gewöhnliche Mathematik nicht tut.
Der Leser klassifiziert Hamiltons Großtat möglicherweise als Spielart der Präkognition oder vielleicht nur als ein weiterer Beweis des hibernischen Dranges, alles in Frage zu stellen, was für die Angelsachsen über jeden Zweifel erhaben ist.
2. Die Physiker in den Tagen Hamiltons debattierten endlos darüber, ob sich Licht nun wie Wasser in „Wellen“ fortbewegt oder wie Geschosse in einzelnen, unabhängigen „Partikeln“. Hamilton unterstützte beide, absolut unvereinbare Modelle, jedoch in verschiedenen Zusammenhängen. Unter den fundamentalistischen Materialisten nennt man dies die Häresie des „Perspektivismus“. Doch noch einmal: Nach hundert Jahren wurde es Teil der Quantenmechanik, die gewöhnlich Niels Bohr angerechnet wird, obwohl dieser sie lediglich wiederentdeckte. Der Perspektivismus sucht auch postmoderne literarische Theorien, die kulturelle Anthropologie und vor allem die Joyce-Industrie heim. So begreifen Joyce-Schüler immer mehr, dass all diese hundert und mehr Erzählerstimmen in Ulysses in gewissem Sinne sowohl wahr, gleichermaßen unwahr als auch in jedem Sinne jenseits einer Entweder/oder-Logik sind.
Die Quantenmechanik ist noch einem zweiten Riesen, einem weiteren irischen Physiker, zu Dank verpflichtet (oder verdankt ihm fortwährendes Kopfzerbrechen): John Stewart Bell.
Bells Theorem, ein mathematischer Beweis, den Dr. Bell 1965 veröffentlichte, wurde bekannter als das Tarot, von dem New Ager glauben, es zu verstehen, obwohl sie es im Allgemeinen jedoch nicht tun. Bells Theorem ist für Physiker immer noch kontrovers. Einige von ihnen denken, es zu verstehen, andere geben unverblümt zu, dass sie es so verwirrend finden wie Mick Jagger mit seiner Gitarre, der wie ein Huhn auf LSD durch die Reihen eines Beethoven-Streichquartetts hüpft.
Bei dem (haarsträubenden) Versuch, Bells Mathematik in eine verbale Form zu übersetzen, mit welcher wir die „Bedeutung“ der Physik erörtern, scheint
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