Email ans Universum (German Edition)
eines Augenblicks hervorragend festhalten, doch auch nur die eines Augenblicks. Die physikalische Gleichung Kraft = Masse x Beschleunigung hebt einen Aspekt hervor, den andere Codes nicht greifen können, doch verliert es alles außerhalb dieses einen Aspekts. Jede Wahrnehmung wird von gewohnten Kodierungsmustern beeinflusst, geformt und strukturiert – neurosemantische Spielgewohnheiten des Wahrnehmenden.
Jede Form von Autorität ist eine Funktion des Kodierens und bestimmter Spielregeln. Die Menschen sind immer wieder aufgestanden und haben mit Mistgabeln bewaffnet gegen Armeen mit Kanonen gekämpft; auch haben sich die Menschen den schwächsten und tatterigsten Unterdrückern sanftmütig gefügt. Das alles hängt von dem Umfang ab, in welchem Kodierungen die Wahrnehmung beschränken und Konditionierungen die physischen (und „geistigen“) Reflexe verzerren.
Auf den ersten Blick scheint es so, dass Autorität nicht existieren würde, wenn entweder alle Menschen Feiglinge wären oder kein Mensch ein Feigling wäre. Die Autorität floriert allerdings dermaßen, weil die meisten Menschen Feiglinge und einige wenige Diebe sind. Genau genommen werden die inneren Dynamiken von einerseits Feigheit und Unterwürfigkeit und andererseits von Heldenmut und Rebellion dieser Tage selten bewusst umgesetzt, weder von der herrschenden noch von der dienenden Klasse.
Unterwürfigkeit wird nicht nur mit Feigheit gleichgesetzt, sondern mit Tugendhaftigkeit. Rebellion nicht mit Heldentum, sondern mit Bösartigkeit. Für die römischen Sklavenhalter war Spartakus kein Held und die gehorsamen Sklaven waren auch keine Feiglinge; Spartakus war ein Schurke und die gehorsamen Sklaven waren rechtschaffen. Die gehorsamen Sklaven dachten ebenso darüber. Der Gehorsame hält sich selbst immer eher für tugendhaft als für feige.
Wenn Autorität Unterwürfigkeit voraussetzt, dann erfordert Befreiung Gleichheit; Autorität entsteht dort, wo einige Personen anderen gehorchen, und Freiheit existiert dort, wo Menschen anderen Menschen nicht gehorchen. Zu sagen, dass Autorität vorherrscht, bedeutet damit, dass Klassen und Kasten, Unterdrückung und Ungleichheit existieren.
Zu sagen, dass Freiheit existiert, bedeutet, dass eine Klassenlosigkeit, Brüderlichkeit und Gleichheit besteht. Autorität führt durch das Aufteilen von Menschen in Klassen zu Zweiteilung, Zerrüttung, Feindseligkeit, Angst und Uneinigkeit. Freiheit führt uns dadurch, dass sie uns alle gleichberechtigt behandelt, zu einem Interessenverband, einer Einheit, Sicherheit und zu Zusammenschluss. Wenn die Beziehungen zwischen Personen auf Autorität und Nötigung basieren, werden Menschen voneinander entfernt; basieren sie auf Freiheit und Nicht-Aggression, werden sie zusammengeführt. Die Tatsachen sind offensichtlich und unumstößlich. Wenn Autoritarismus nicht diese eingebaute, vorprogrammierte Double-Bind-Struktur eines Endlos-Spieles besäße, hätten wir ihn schon vor langer Zeit abgeschafft und durch Liberalismus ersetzt.
Der durchschnittliche Pazifist beschwert sich über Krieg, wenn junge Männer von alten Männern, die in ihrem bürokratischen Zuhause am Schreibtisch sitzen und selbst kein Risiko eingehen, in den Tod geführt werden … und hat damit das Wesentliche nicht begriffen. Wer fordert, dass die Alten in ihren eigenen Kriegen kämpfen sollten oder dass die Führer der Krieg führenden Nationen am ersten Tag der Schlacht an die Front geschickt werden sollten, zielt auf einen vermuteten „Sinn für Gerechtigkeit“ ab, den es einfach nicht gibt.
Für den typischen, unterwürfigen Bürger einer autoritären Gesellschaft ist es normal, offensichtlich und „natürlich“, dass er sich älteren und dominanteren Männchen unterwirft und sein Leben riskiert, ja sogar gegen seine Verwandtschaft vorgeht – auch in Angelegenheiten, die ungerecht und eklatant absurd sind.
Der Mechanismus, mit dem Autorität und Unterordnung in den menschlichen Verstand eingepflanzt werden, zeigt sich im Kodieren der Wahrnehmung. Das, was zu dem Code passt, wird akzeptiert; alles andere ist dazu verflucht, ignoriert, zur Seite gestoßen und – wenn das alles nicht hilft – vergessen zu werden. Eine noch schlimmere Form der Verfluchung ist jenen Dingen vorbehalten, die nicht ignoriert werden können. Diese werden so lange mit projizierten Vorurteilen beschmiert, bis sie sich, zur Unkenntlichkeit verkümmert, in das System einpassen, klassifizieren und verscharren lassen. Das ist
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