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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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mal«, sagte Emma und deutete vor den Karren. »Ein Pferd.«
    Der alte Mann half Kate, sich neben ihre Geschwister zu setzen. Dann sprang er flink auf den Kutschbock, griff nach den Zügeln, und mit einem Ruck, der die Kinder fast von den Sitzen riss, setzte sich der Karren in Bewegung.
    Die Straße verlief bergauf, und je höher sie durch den dünner werdenden Nebel fuhren, desto kälter und klarer wurde die Luft.
    Sie waren erst wenige Minuten unterwegs, als Michael überrascht aufschrie.

    Kate blickte auf, und wenn Michael und Emma nicht neben ihr gesessen hätten, hätte sie alles für Einbildung gehalten: Vor ihnen erhoben sich die zerklüfteten Gipfel eines mächtigen Gebirges. Aber das war unmöglich! Berge wie diese konnte man über eine Entfernung von mindestens hundert Meilen sehen.
    Kate beugte sich vor, was bei der Neigung der Straße und dem Poltern und Schaukeln des Karrens gar nicht so einfach war. »Sir …«
    »Ich heiße Abraham, Miss. Ihr müsst mich nicht mit Sir ansprechen. «
    »Also gut …«
    »Ihr fragt euch, warum ihr diese Berge von Westport aus nicht gesehen habt.«
    »Ja, S… Abraham.«
    »Das Licht über dem See ist nachmittags manchmal komisch. Es spielt den Augen Streiche. Jetzt setzt euch besser ordentlich hin. Wir haben noch eine Stunde Fahrt vor uns, und wir müssen uns beeilen, wenn wir vor Einbruch der Nacht dort sein wollen.«
    »Was passiert bei Einbruch der Nacht?«
    »Wölfe.«
    »Wölfe?«
    »Die Nacht bricht an. Die Wölfe kommen aus ihrem Versteck. Jetzt genießt die Fahrt.«
    Emma murmelte: »Ich hasse Miss Crumley.«
    Je höher sie kamen, desto einsamer und karger wurde die Landschaft. Anders als in der Gegend um Westport, gab es hier nur wenige Bäume. Das Land war felsig, öde und unfruchtbar.
    Endlich, als die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden und der Himmel über ihnen rot gestreift war und Kate glaubte, in jedem Schatten einen Wolf zu sehen, wölbte sich
die Straße über einen Sattel zwischen zwei Gipfeln, und der alte Mann rief aus: »Cambridge Falls voraus!« Und da, vor ihnen, lag ein gewundenes, steil abfallendes Tal mit einem Fluss, der wie eine Ader längs hindurchfloss. Das Dorf kauerte sich an das diesseitige Flussufer und die Straße führte sie an einer Reihe von Geschäften und Wohnhäusern vorbei. Am Hang standen weitere Häuser, getrennt durch kurvige und abbröckelnde Steinmauern. Auffallend war, dass die meisten Fenster dunkel waren und nur aus etwa einem Dutzend Schornsteine Rauch drang. Die wenigen Leute, denen sie begegneten, eilten mit gesenkten Köpfen ihrer Wege.
    »Was ist hier bloß los?«, murmelte Emma.
    Abraham schnalzte mit den Zügeln und zwang das Pferd in einen Trab. Sowohl die Straße als auch die Ansiedlung endeten an dem breiten graugrünen Fluss, und der alte Mann lenkte den Karren zum Flussufer, wo Radspuren im Schnee einen frischen Pfad gegraben hatten.
    »Wo ist das Waisenhaus?«, fragte Michael.
    »Auf der anderen Seite des Flusses.«
    »Und wie ist Dr. Pym so?«
    Abraham antwortete nicht sofort. Dann sagte er: »Anders.«
    »Wie anders?«
    »Einfach anders. Aber er ist sowieso kaum da. Miss Sallow und ich kümmern uns um alles.«
    »Wie viele Kinder leben dort?«, wollte Emma wissen.
    »Mit euch?«
    »Ja.«
    »Drei.«
    »Drei?! Was ist denn das für ein Waisenhaus?«
    Das war eine berechtigte Frage und verdiente eine Antwort,
aber in diesem Augenblick fuhren sie am Rand eines Abgrunds entlang, der etwa fünfzig Meter tief zum Fluss abfiel – das Ufer war immer steiler geworden, seit sie die Siedlung verlassen hatten. Und gerade als Emma die Frage stellte, rutschte der Karren auf dem eisigen Untergrund aus und schlitterte in Richtung des Abgrunds.
    »Müssen wir so schnell fahren?«, fragte Kate, die sich wie ihre Geschwister an den Seiten des Karrens festklammerte.
    »Schaut nach oben«, sagte Abraham.
    Das Rot war aus dem Himmel gewichen und ließ ein Violettblau zurück, das sich schnell schwarz färbte. Die Nacht war nur noch Augenblicke entfernt.
    Der alte Mann bog auf eine schmale Brücke ein. Während die Hufe des Pferdes über die eisverkrusteten Pflastersteine klapperten, schauten die Kinder hinab in den reißenden Fluss, der durch die Schlucht rauschte. Dann waren sie am anderen Ufer und Abraham trieb das Pferd einen gewundenen Pfad hinauf.
    »Wir sind fast da!«
    Kate hatte ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Mit diesem Ort stimmte etwas nicht. Etwas, das nichts mit dem Mangel an Menschen oder Bäumen

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