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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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dass sie unerwünscht waren.
    «Sarahs Ferien sind so kurz, dass wir nirgends hinfliegen können, selbst wenn wir es uns leisten könnten. Wir werden hier zu Hause ein schönes, ruhiges Abendessen veranstalten, nur wir drei. Ihr könnt gern herkommen, du und Arlene. Wir haben genug Platz, das ist kein Problem.»
    «Schon in Ordnung», erwiderte Emily, denn es war kein ernst gemeintes Angebot, sondern sollte sie nur beschwichtigen, und als sie «Ich liebe dich» gesagt und aufgelegt hatte, fragte sie sich, warum sie diese Kränkung auf sich herabbeschworen hatte. Sie setzte sich eine Weile in Henrys Sessel, kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Lippe und überlegte, welcher widernatürliche Drang sie veranlasst hatte, Margaret die einzige Frage zu stellen, die sie sich ausdrücklich verboten hatte. Vor ihren Füßen ausgestreckt hob Rufus den Kopf, um sie anzusehen, und ließ ihn dann wieder auf den Teppich sinken. Auf der Standuhr in der Ecke verstrich eine weitere Minute, und das Messingpendel schwang hinter der Glasscheibe hin und her.
    «Sehr interessant», sagte Emily.
     
    Der Blick aus dem vierten Stock
     
    Arlenes Krankenhausaufenthalt gab Emilys Tagen eine neue Kontur. Sie wachte noch immer jeden Tag im Morgengrauen auf und las bei Tee und Toast die Post-Gazette, um zu erfahren, was in der Welt vor sich ging, aber statt wie bisher die Cartoons zusammenzufalten und sich dem Kreuzworträtsel zuzuwenden, während auf QED Händel lief und die Blauhäher und Kleiber sich am Vogelhäuschen bekriegten, spülte sie ihre Tasse und Untertasse ab, packte ihre Sachen zusammen und fuhr mit dem Taurus nach Bloomfield, um bei Arlene zu sein.
    Wenn sie wollte, konnte sie unterwegs im Giant Eagle ein paar Cranberry-Muffins oder im Rite-Aid Arlenes Quittenhandlotion besorgen. Sie konnte ihre Bücher unterwegs in der Bücherei abgeben, statt extra hinzufahren. Es gab unbegrenzte Möglichkeiten. Sie wünschte noch immer, der Wagen wäre kleiner, besonders an der schmalen Einfahrt des Besucherparkplatzes, wo sie den Sicherheitsgurt lösen und die Tür öffnen musste, um den Knopf drücken und den Parkschein ziehen zu können, damit sich die Sperre hob, und das Einparken war jedes Mal eine heikle Angelegenheit, doch sie war vorsichtig und ließ sich von den wenigen engen Parklücken nicht einschüchtern.
    Der Besucherparkplatz lag anscheinend mit Absicht am ungünstigsten von allen Parkflächen, so weit vom hinteren Teil des Krankenhauses entfernt, dass Emily den Fußmarsch als körperliche Ertüchtigung betrachtete, an der es ihr zu Hause oft mangelte. Bei schlechtem Wetter konnte die Strecke eine Herausforderung sein. Der Wind kam über die ebene, offene Fläche gefegt, zerrte an ihrem Regenschirm, zerzauste ihr Haar und trieb ihr Tränen in die Augen. Sie konnte bloß den Kopf einziehen und weiterstapfen. Öffnete sich die Tür dann selbsttätig, war sie dankbar und erleichtert, endlich im Warmen zu sein.
    Sie gehörte zu einer kleinen Gruppe regelmäßiger Besucher, die in der Eingangshalle und der Cafeteria bis zum offiziellen Beginn der Besuchszeit warteten. Die meisten waren wie sie ältere Frauen, doch es gab auch einen großgewachsenen Herrn, der eine karierte Thermoskanne und seine zusammengefaltete Post-Gazette dabeihatte, als sei er auf dem Weg zur Arbeit. Sie nickte ihnen in den Fluren oder im Aufzug zu, und obwohl sie nie ihre Namen nannten oder sich gegenseitig ihre Geschichten erzählten, bestand zwischen ihnen eine unausgesprochene Kameradschaft. Als Henry und später auch Louise krank wurden, war ihr das gar nicht aufgefallen, vielleicht weil sie so sehr mit dem Leid der beiden und ihrer eigenen Angst beschäftigt war, dass sie die anderen nicht zur Kenntnis genommen hatte. Vermutlich hatte sie unter Schock gestanden. Doch jetzt war es gut zu wissen, dass sie nicht allein war, und sie musterte ihre Gesichter und lächelte ihnen kurz, aber aufmunternd zu.
    Auf der Station kannte sie die Schwestern, Arlenes Zimmergenossin Thalia und deren Freundin Jean und die Hilfskräfte, die das Essen brachten. Zu Hause sprach Emily oft tagelang mit keinem anderen Menschen und führte höchstens Selbstgespräche oder redete mit Rufus. Hier gab es einen stetigen Strom von Menschen, die sich über die Fernsehsendungen vom Vorabend unterhielten oder einander beim Lösen des Kreuzworträtsels halfen, die darüber sprachen, welche neuen Filme gut waren, oder den nächsten Gegner der Steelers beurteilten. All das bedeutete

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