Emma
so viel Energie dabei draufgegangen, dass sie jetzt erst
einmal zu nichts anderem in der Lage war, als nur einfach vor sich hin zu
dämmern und wieder Kraft zu sammeln für neue Aufgaben. Schließlich würde sie
nicht viel Gelegenheit dazu haben, sich zu erholen, wenigstens musste sie das
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hoffen. Eine lange Pause konnte sie sich
finanziell einfach nicht leisten, das war ihr deutlich bewusst. Das Gehalt, das
sie bei Ernesto Moda bezogen hatte, war ausreichend, aber nicht üppig gewesen,
und irgendwie hatte sie die Tatsache verdrängt, dass mit der Übernahme des
Modehauses durch die Gandolfo-Gruppe auch ihre Tage dort gezählt waren. Sie musste
sich ohnehin etwas anderes suchen, aber das wäre immerhin nicht so fürchterlich
dringend gewesen.
Verdammt,
warum konnte dieser selbstherrliche Obermacho seine Finger nicht von „ihrer“
Firma lassen! Warum musste er, der von Mode soviel verstand wie irgendein
argentinisches Rindvieh, ausgerechnet ihr neuer Arbeitgeber werden! Nach ihrem
persönlichen Geschmack hätte es gut und gerne noch ein paar Jahre so
weitergehen können bei Ernesto!
Emma
seufzte tief und rief sich zur Ordnung.
Das
war Quatsch und sie wusste es. Ernesto war in die Jahre gekommen und auch
gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen, das Unternehmen weiterhin zu
leiten und in eine wirtschaftlich vernünftige Zukunft zu führen, das war allen
klar gewesen. Gandolfos Geld hatte das Unternehmen gerettet, der Preis waren
eben unter anderem die Jobs der Hausmannequins. So etwas nannte man heutzutage
schlicht und ergreifend Kollateralschaden.
Aber
vielleicht, wenn sie sich am Abend vor der letzten Galashow den Knöchel
verstaucht oder einen Blinddarmdurchbruch bekommen hätte – dann wäre Gandolfo
nie auf sie aufmerksam geworden und sie hätte jetzt in Ruhe noch Zeit, sich um
einen anderen Job zu bemühen!
Hätte,
ja, hätte !
Sie
hätte sich nie im Leben auf eine Affäre mit diesem Mann einlassen dürfen. Ihr
erster Impuls damals war richtig gewesen und sie hätte bei ihrer Weigerung
bleiben sollen! Warum nur war sie schwach geworden und hatte seinem Drängen
nachgegeben? Das war der Fehler ihres Lebens gewesen! Unverzeihlich und
leider nun auch folgenschwer. Jetzt saß sie hier mit mehr Problemen am Hals,
als sie in den ganzen letzten Jahren zusammengenommen bewältigen musste. Aber
woher konnte sie denn auch ahnen, dass ausgerechnet er ihr plötzlich und
unerwartet mit so etwas Verrücktem wie Liebe kommen würde! Das war gerade bei
einem wie ihm das Allerunwahrscheinlichste überhaupt und gerade das musste
natürlich ihr passieren!
Sie
war so was, aber auch so was von wütend auf ihn! Wie konnte er nur die
Spielregeln so missachten, wie konnte er einfach die Vorzeichen umkehren! Warum
sie schwach geworden war? Sie hatte eben mal wieder ein Abenteuer gebraucht und
er war dazu scheinbar perfekt gewesen!
Scheusal,
verlogenes! Betrüger !
Wütend
schlug sie auf die Matratze ein, ehe sie sich mit einem resignierten Seufzer
mühsam zusammennahm und sich zum Aufstehen zwang. Es war Freitagmittag, wenn
sie den Zug noch erwischen und die Verabredung mit ihrem Vater einhalten
wollte, dann musste sie sich aber endlich mal bewegen!
„Tust
du mir bitte einen Gefallen?“
Giorgio
Santini wischte sich die schmutzigen Hände an einem Lappen ab. Der Traktor
machte unangenehme Geräusche und er versuchte gerade hinter deren Ursache zu
kommen, doch wie ihm schien, brauchte er mehr Schmiermittel und das hatte er
nicht mehr vorrätig.
Emma
sah auf. „Was für einen?“
Seit
er sie am Vortag nach Hause auf den Hof gebracht hatte, war sie ihren Eltern
möglichst aus dem Weg gegangen. Keiner der beiden hatte sie etwas gefragt oder
eine Bemerkung gemacht, doch sie wusste und spürte, dass sie schon gerne
erfahren hätten, was ihr Schweigen und ihre Anwesenheit hier bedeuteten.
Allerdings konnten sie sich ausmalen, was dahinter steckte, dass sie ein Auto
brauchte, schließlich waren sie vor nicht allzu langer Zeit Zeugen dieses
Disputs zwischen Emma und Davide geworden, der sich um genau dieses Thema
gedreht hatte. Viel gab es daran also nicht zu deuteln, es ging nur noch um die
Frage nach dem ‚Warum’.
„Könntest
du für mich ins Dorf fahren und mir davon eine besorgen?“ Er hielt eine leere
Öldose hoch und schüttelte sie hin und her.
Sie
stellte den Korb mit den abgezupften Lavendelblüten beiseite und stand auf.
“Wie
eilig hast du’s denn
Weitere Kostenlose Bücher