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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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und Anfang der dritten kündigten sechs unserer besten Kunden in der Altstadt, obwohl wir ihnen baldige Besserung in Aussicht stellten und einen Preisnachlass versprachen. Sie baten uns, unsere Pflanzen unverzüglich wieder abzuholen.
    Als wir die Blumenkübel zum Pick-up hinaustrugen, kam mir das wie eine öffentliche Demütigung vor. Als wir in einem der Geschäfte fertig waren, setzte sich Stan in den Wagen und weinte. Ganz gleich, woran es lag, ob ich mit unseren finanziellen Mitteln besser hätte haushalten müssen oder ob die Geschäftsidee von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, ich verspürte ein überwältigendes Gefühl, versagt zu haben. Ich hatte nicht nur nicht verhindern können, dass es so weit gekommen war, sondern war in gewissem Sinne sogar die Ursache dafür.
    So schlimm der Verlust der Kundschaft auch war – das Schicksal hielt für meinen Bruder in dieser Woche noch einen schlimmeren Schlag bereit.
    An diesem Freitag blieben er und ich länger als sonst in unserer Lagerhalle, fegten sie aus und spülten leere Blumenkübel. Es war eine vergebliche Übung. Noch so viel Putzen konnten die Firma nicht vor ihrer Talfahrt retten. Unser Ruf hatte irreparablen Schaden gelitten, täglich kündigten weitere Kunden, Anfragen potenzieller Kunden kamen gar keine mehr. Wir arbeiteten aus Stolz und Hingabe für das Geschäft in der Lagerhalle – mit dem Wunsch, es nicht ohne ein gewisses Maß an Respekt sterben zu lassen.
    Als wir die Blockhütte in Empty Mile betraten, war Marla schon zu Hause. Sie saß neben Rosie auf der Couch und strich ihr mit einer Hand über den Rücken, als wollte sie sie trösten, wusste aber, dass eine Umarmung nicht infrage kam. Rosie presste die Knie zusammen. Die Hände hielt sie im Schoß verschränkt.
    Kaum sah er sie, fing Stan an zu zittern. »Rosie, was ist denn passiert?«
    Rosie sah ihn nicht an.
    »Johnny, es stimmt etwas nicht.«
    Marla streckte die freie Hand aus und gab mir einen großen braunen Umschlag. »Sie hat auf mich gewartet, als ich nach Hause kam. Das hatte sie bei sich.«
    Stan nahm auf der anderen Seite von Rosie Platz und legte die Arme um sie. Sie drückte sich starr an ihn.
    Der Umschlag war nicht zugeklebt. Ich zog fünf Fotos heraus. Kaum sah ich, was sie zeigten, wusste ich, ich hätte sie nicht im Beisein von Stan ansehen dürfen. Aber es war zu spät. Er bekam einen Blick darauf, sprang vom Sofa hoch und stellte sich neben mich. Ich wollte sie wieder in den Umschlag stecken, doch er hielt meine Hand fest.
    »Nein, Johnny, zeig sie mir!«
    Ich gab ihm die Fotos. Auf jedem war Rosie zu sehen – nackt, mit weißem Körper, sodass man das dunkle Schamhaar deutlich zwischen ihren Beinen sah. Sie stand wie erstarrt mitten in einem großen Zimmer mit poliertem Holzboden, und weißen Wänden. Ein Zimmer, das Stan und ich gut kannten.
    »Das ist Jeremy Tripps Haus!« Stan fuchtelte mit den Armen hektisch vor dem Gesicht auf und ab. »Das ist Jeremy Tripps Haus! Was soll das? Was ist passiert, Rosie?«
    Er stolperte zu ihr zurück und ergriff unbeholfen ihre Hände. Rosie betrachtete ihre Knie und sprach mit völlig ausdrucksloser Stimme, als wäre sie so erschüttert vom Leben, dass sie diese letzte Grausamkeit gar nicht richtig begreifen konnte.
    »Ich habe für ihn das große Zimmer geputzt, das immer so still ist. Ich sehe ihn nie da, aber heute war er dort. Er befahl mir, mich auszuziehen, dann machte er die Fotos. Dann ging er weg, dann kam er zurück und gab sie mir. Ich wollte nicht, dass Oma es erfährt, darum bin ich hierhergekommen.«
    Stan war außer sich. »Das hätte er nicht machen dürfen!«
    Rosie wandte ihm den Kopf zu, sah jedoch nicht auf. »Er sagte, wenn ich es nicht mache, sorgt er dafür, dass du Plantasaurus aufgeben musst. Er sagte, ich müsste dir die Bilder zeigen.«
    Stan ballte die Fäuste und stieß ein Heulen aus. Seine Halsmuskeln verkrampften sich, sein Kopf lief rot an. Ein anderer Mann hätte vielleicht Löcher in die Wand geschlagen, doch Stan hatte keine Erfahrung mit einer solchen Wut, daher lähmte sie ihn wie eine Zwangsjacke.
    Die Situation ließ sich nicht retten, aber Stan war so außer sich, dass ich wenigstens die Möglichkeit ausschließen musste, es könnte etwas Schlimmeres passiert sein.
    »Hat er außer den Fotos noch etwas gemacht? Hat er dich angefasst?«
    »Nein.«
    »Hat er gesagt, dass er dir wehtut?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur Stanleys Firma.«
    »Ich denke, ich sollte zu Millicent

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