Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)
erreichen?
Ehe ich einen Entschluss fasse, wirbelt sie herum und läuft zum Dachrand. Ich stürme los, so schnell ich kann. Aber der Abstand ist zu groß. Ich kann sie nicht mehr einholen. Auch diese Spenderin ist verloren.
Ich entscheide im Bruchteil einer Sekunde, Trace für Jodi zu opfern. Falls sich die Möglichkeit dazu ergibt.
Nur noch wenige Schritte bis zur Kante. Dann wird Margaret den Körper der armen Jodi in die Tiefe stürzen.
Jetzt hat sie den Dachrand erreicht. Doch im gleichen Moment, da sie zum tödlichen Sprung ansetzt, bricht sie zusammen.
Mir bleibt das Herz stehen. Ich laufe zu ihr und knie neben ihr nieder.
Sie ist bewusstlos. Aber sie blutet, weil sie sich bei dem Sturz den Kopf angeschlagen hat. Ich taste nach ihrem Puls. Er ist da.
»Jodi«, sage ich und tätschle ihr sanft die Hand.
Ihre Lider flattern. Sie bewegt den Kopf hin und her. Dann schlägt sie die Augen auf, sieht mich angsterfüllt an.
»Jodi?«
Sie versucht sich aufzurichten.
»Langsam.«
Sie ist immer noch verwirrt, aber allmählich fasst sie Vertrauen zu mir. Ich helfe ihr beim Aufsetzen.
»Was ist passiert?«, fragt sie, schwach wie ein neugeborenes Reh.
Ich beuge sie vor und ziehe sie an mich. »Keine Sorge«, flüstere ich ihr zu. »Du bist jetzt in Sicherheit.«
Ich schließe die Augen und halte sie lange Zeit eng an mich gedrückt. Das Mädchen, das ich gerettet habe. Durch meine Erinnerung geistern die Gesichter der anderen, die ich nicht retten konnte. Dawn, Indie, Jenny. Aber sie sind mir nicht böse. Sie wirken … dankbar.
* * *
Ich stehe auf der Anhöhe, ein paar Meter von meinem Wagen und nicht weit von dem großen Hollywood-Schild entfernt. Es ist eine andere Welt hier droben, erfüllt vom erdigen Geruch der trockenen Süßgräser. Ich befinde mich wieder in meinem müden alten Ender-Körper. Meine Knie schmerzen, als ich mich bücke und mit bloßen Händen ein Loch in das Erdreich buddle. Als es mir tief genug erscheint, versenke ich die rosa Schuhe mit den Glitzersteinen darin.
Opa, ich muss diese Schuhe einfach haben.
Sie war so glücklich an jenem Tag.
Ich decke sie mit Erde zu, die ich viel zu lange festklopfe.
Erst als mein Handy klingelt, richte ich mich langsam auf. Ich wische die schmutzigen Finger in ein Taschentuch, bevor ich auf Empfang drücke.
»Marshal.« Es ist die elektronische Stimme des Old Man.
»Ich danke Ihnen«, sage ich. »Sie haben Margaret von Jodi abgekoppelt.«
»Ich habe nur verhindert, dass eine Ender meine kostbaren Spender umbringt. Geschäftspolitik.«
»Sie kann die restlichen hundert Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbringen«, sage ich. »Sie dagegen werden immer im Geschäft bleiben.«
»Jeder von uns sehnt sich nach einem neuen Ich«, entgegnet er.
Das kommt daher, dass sie nicht wissen, wer sie sind.
Meine Füße brennen, meine Beine schmerzen. Ich schaue über die Stadt hinweg und sehe vom Krieg verwüstete Nester, ausgebrannt oder zu Schutt zerfallen.
Aber auf der anderen Seite … die meisten Gebäude stehen noch.
Die Maske des Old Man knistert hörbar. »Finden Sie das so verdammenswert?«, fragt er.
Ich schalte aus und schließe meine müden Augen. In der Dunkelheit hinter meinen hundert Jahre alten Lidern suche ich nach der Antwort.
Wie es nach »Porträt eines Marshals«
weitergeht, erfährst du im Roman
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