Enders Schatten

Sicherheitskontrollen.
    Sein Zug wartete im Kampfraum auf ihn. Sie hatten in den letzten paar Tagen schwer gearbeitet und alle möglichen Dinge ausprobiert. Formationen, die plötzlich mitten im Flug explodierten. Schirme. Angriffe ohne Waffen, bei denen sie versuchten, die Feinde mit den Füßen zu entwaffnen. Drehungen, die es beinahe unmöglich machten, getroffen zu werden, sie aber auch davon abhielten, auf andere zu schießen.
    Das Ermutigendste war die Tatsache, dass Ender beinahe die gesamte Trainingszeit damit verbrachte, Beans Einheit zu beobachten, wenn er nicht gerade Fragen von Soldaten aus anderen Zügen beantwortete. Was immer sie sich einfallen ließen – Ender wusste es und entwickelte daraus seine eigenen Ideen, wann und wie er vorgehen würde. Und Beans Soldaten wussten, dass Enders Blick auf ihnen ruhte, und strengten sich noch mehr an. Es verlieh Bean in ihren Augen mehr Bedeutung, dass Ender sich tatsächlich dafür interessierte, was sie taten.
    Ender ist gut, was solche Dinge angeht. Er weiß, wie er eine Gruppe in die Form bringt, in der er sie haben will. Er weiß, wie man Leute dazu bringt zusammenzuarbeiten. Und es gelingt ihm mit den geringstmöglichen Mitteln.
    Wenn Graff so gut wäre wie Ender, hätte ich mich heute da drin nicht wie ein Schläger aufführen müssen.
    Das Erste, was Bean mit der Rettungsleine versuchte, war, sie quer durch den Kampfraum zu spannen. Sie war lang genug, aber es blieb kaum genug Spiel, um sie an beiden Enden an etwas festzuknoten.
    Ein paar Minuten der Experimente zeigten, dass sie als Fallstrick vollkommen unbrauchbar war. Die meisten Feinde würden sie einfach verfehlen; jene, die direkt damit kollidierten, waren dann vielleicht desorientiert oder wirbelten herum, aber sobald klar war, wo die Schnur sich befand, konnte ein kreativer Feind sie vielleicht sogar gegen sie nutzen.
    Die Rettungsleine war dazu entworfen zu verhindern, dass ein Mann in den Raum abtrieb. Was geschah, wenn man sich am Ende dieser Leine befand?
    Bean befestigte ein Ende an einem Handgriff in der Wand und wickelte sich das andere Ende mehrmals um seine Taille. Die Schnur war nun kürzer als die Weite des würfelförmigen Kampfraums. Bean sicherte sich mit einem Knoten, dann stieß er sich ab und flog auf die gegenüberliegende Wand zu.
    Während er durch die Luft segelte und die Leine hinter sich herschleppte, dachte er unwillkürlich: Hoffentlich haben sie recht, und der Draht schneidet wirklich nicht ein. Was für eine Art zu sterben – im Kampfraum in der Mitte zerteilt zu werden! Danach würde wirklich keiner den Kampfraum mehr sauber machen wollen.
    Als er nur noch einen Meter von der Wand entfernt war, spannte sich die Leine. Beans Vorwärtsbewegung wurde abrupt an seiner Taille gebremst. Sein Körper bog sich durch, und er fühlte sich, als hätte man ihm in den Bauch getreten. Aber das Überraschendste war, wie seine Trägheit aus einer Vorwärtsbewegung in einen seitlichen Bogen umgesetzt wurde, der ihn durch den Kampfraum fegte, dorthin, wo der D-Zug trainierte. Er prallte so fest gegen die Wand, dass es ihm den Atem aus der Lunge schlug.
    Â»Habt ihr das gesehen?«, schrie Bean, sobald er wieder Luft bekam. Sein Bauch tat weh – er war vielleicht nicht in zwei Teile geschnitten worden, aber er würde eine böse Prellung haben, das wusste er sofort, und ohne den Blitzanzug hätte er vielleicht innere Verletzungen davongetragen. Aber so hatte er keinen großen Schaden genommen, und die Schnur hatte ihn abrupt die Richtung wechseln lassen. »Habt ihr das gesehen? Habt ihr das gesehen?«
    Â»Ist alles in Ordnung?«, rief Ender.
    Erst jetzt erkannte Bean, dass Ender befürchtete, er könnte sich verletzt haben. Also sprach er langsamer: »Hast du gesehen, wie schnell ich war? Hast du gesehen, wie ich die Richtung gewechselt habe?«
    Die ganze Armee hörte auf zu trainieren, während Bean noch ein wenig mit der Schnur spielte. Zwei Soldaten zusammenzubinden führte zu interessanten Resultaten, wenn einer von ihnen innehielt, aber es war schwer, sich festzuhalten. Es war wirkungsvoller, als Bean Ender mit seinem Haken einen Stern aus der Wand holen und in die Mitte des Kampfraums ziehen ließ. Bean band sich fest und stieß sich von dem Stern ab; als die Leine sich spannte, fungierte die Kante des Sterns als Drehpunkt und verkürzte die Schnur, während er