Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
überzeugen, bevor man sich auf etwas einließ, die Weisheit einzuschätzen, welches Vorgehen angemessen war. Und was das anging, erkannte Bean, war er nicht unbedingt besser als die anderen Schüler.
    Ender Wiggin wusste wirklich einiges, was Bean nicht wusste. Bean hatte vielleicht vorgehabt, sich wie Wiggin zu verhalten, der besondere Übungsstunden einrichtete, um sich dafür zu entschädigen, dass er einen Kommandanten hatte, der ihn nicht ausbilden wollte. Bean hätte vielleicht ein paar andere Schüler dazu bringen können, mit ihm zu üben, da man vieles nicht allein machen konnte. Aber Wiggin hatte alle aufgenommen, die zu ihm kamen, ganz gleich, wie schwierig es wurde, mit so vielen im Kampfraum zu üben, und den Anmerkungen der Lehrer zufolge verbrachte er jetzt mehr Zeit damit, andere auszubilden, als mit der Arbeit an seiner eigenen Technik. Selbstverständlich lag das zum Teil daran, dass er nicht mehr in Bonzo Madrids Armee war, sodass er jetzt auch einfach an den regulären Übungen teilnehmen konnte. Aber er arbeitete immer noch mit den anderen Kids, besonders mit eifrigen Frischlingen, die schnell vorankommen wollten, bevor man sie in eine reguläre Armee steckte. Warum?
    Tut er, was ich tue – studiert er die anderen Schüler, um sich auf einen zukünftigen Krieg auf der Erde vorzubereiten? Baut er eine Art Netz auf, das in alle Armeen reichen wird? Oder bildet er sie irgendwie falsch aus, sodass er später ihre Fehler nutzen kann?
    Anhand dessen, was Bean von den Kids in seiner Frischlingsgruppe erfuhr, die an den Übungen teilnahmen, erkannte er, dass es um etwas ganz anderes ging. Wiggin schien sich wirklich dafür zu interessieren, dass alle ihr Bestes gaben. Hatte er es so nötig, beliebt zu sein? Jedenfalls funktionierte es, wenn das seine Absicht war. Sie beteten ihn an.
    Aber es musste mehr dahinterstecken als der Wunsch nach Liebe. Bean konnte es irgendwie nicht begreifen.
    Er stellte fest, dass die Randbemerkungen der Lehrer zwar nützlich waren, ihm aber nicht halfen, sich in Wiggins Kopf zu versetzen. Zum einen bewahrten sie die Beobachtungen und Schlüsse aus dem Psychospiel woanders auf, wo Bean keinen Zugang hatte. Zum anderen konnten auch die Lehrer nicht in Wiggins Kopf gelangen, weil sie einfach nicht auf seinem Niveau dachten.
    Bean tat das schon.
    Aber es war nicht Beans Aufgabe, Wiggin aus wissenschaftlicher Neugier zu analysieren, mit ihm zu rivalisieren oder ihn gar zu verstehen. Sein Ziel bestand darin, zu der Art von Kind zu werden, dem die Lehrer vertrauten und auf das sie sich verließen. Ein Kind, das sie als vollkommen menschlich betrachten würden. Für diese Aufgabe musste Wiggin sein Lehrer sein, denn Wiggin hatte bereits geschafft, was Bean erst noch erreichen musste.
    Und Wiggin hatte es getan, ohne perfekt zu sein. Ohne, soweit Bean das sagen konnte, auch nur geistig völlig gesund zu sein. Nicht, dass sonst jemand hier geistig gesund gewesen wäre. Aber Wiggins Bereitschaft, jeden Tag Stunden dafür dranzugeben, Kids auszubilden, die nichts für ihn tun konnten – je mehr Bean darüber nachdachte, desto unverständlicher erschien es ihm. Wiggin bildete kein Netz von Helfern aus. Anders als Bean hatte er kein perfektes Gedächtnis, also war Bean relativ sicher, dass Wiggin auch kein geistiges Dossier über jedes Kind in der Kampfschule erstellte. Die Kids, mit denen er arbeitete, waren nicht die Besten, häufig waren sie sogar die am meisten verängstigten und abhängigen Frischlinge und die Verlierer aus den regulären Armeen. Sie kamen zu ihm, weil sie glaubten, dass schon der Aufenthalt im gleichen Raum mit dem Soldaten, der die Rangliste anführte, ihnen Glück bringen würde. Aber warum opferte Wiggin seine Zeit für sie?
    Warum ist Poke für mich gestorben?
    Es war die gleiche Frage, wusste Bean. Er hatte in der Bibliothek mehrere Bücher über Ethik gefunden und sie auf sein Pult geladen, um sie zu lesen. Er erkannte bald, dass die meisten Theorien, die Altruismus zu erklären versuchten, dürftig waren. Die dümmste Erklärung war die alte soziobiologische von den Onkeln, die für ihre Neffen starben – es gab inzwischen keine Blutsverwandtschaften mehr in Armeen, und Menschen starben häufig für Fremde. Die Gemeinschaftstheorie war nicht die schlechteste – sie erklärte, wieso alle Gemeinschaften in ihren Legenden und Ritualen

Weitere Kostenlose Bücher