Enders
jenes Foto. Weil damals ein Fremder in dir steckte. Der Old Man.«
Er blickte mich lange an. »Das … verstehe ich nicht.«
»Dein Geist befand sich währenddessen in einer Art Tiefschlaf.« Ich winkte ab. »Es würde zu weit führen, das jetzt in allen Einzelheiten zu erklären. Wichtig ist nur, dass du dich unbedingt von diesem Old Man fernhältst. Er trägt eine elektronische Maske und spricht mit verzerrter Stimme. Er hatte den Plan gefasst, Tausende von Starters als dauerhafte Körperspender zu missbrauchen – sodass sie nie mehr aus ihrem Tiefschlaf erwachen würden. Aber es gelang uns, das zu verhindern.«
Er schüttelte den Kopf und lächelte, doch ich erwiderte das Lächeln nicht. »Das ist verrückt«, sagte er dann.
»Mir ist klar, dass es verrückt klingt. Doch ich weiß, wovon ich spreche. Ich trage selbst so einen Chip.« Ich machte eine Pause. »Frag deinen Großvater. Aber tu mir den Gefallen und verrate nicht, von wem du das alles erfahren hast.«
Er rieb sich die Stirn. Ich hatte ihm eine Menge Stoff zum Nachdenken geliefert. Mein Handy kündigte eine Zing aus dem Büro von Senator Bohn an.
»Ich muss los«, sagte ich.
»Jetzt schon?«
»Tut mir leid. Aber wir müssen ihn stoppen.«
Ich ließ ihn nur ungern mit all den beunruhigenden Neuigkeiten allein zurück. Aber die anderen warteten auf mich.
»Sprich zuallererst mit deinem Großvater!«, riet ich ihm.
Als ich ging, zog mir ein heftiger Schmerz die Brust zusammen. Ich musste es mir eingestehen – Blake fehlte mir.
Aber nicht dieser Blake.
Und was das bedeutete … nein, ich mochte nicht darüber nachdenken. Es war zu entsetzlich. Ich musste ihn aus meinen Gedanken verbannen und mich darauf konzentrieren, seinem Tun ein Ende zu bereiten.
Ich saß mit Lauren, die mein gesetzlicher Vormund war, und dem Stabschef des Senators auf der Rückbank der Limousine. Vor der Bombenexplosion hatte Senator Bohn im Kongress einen Untersuchungsausschuss gegen Prime Destinations geleitet, der bis jetzt allerdings kaum Erfolge vorweisen konnte. Die beschlagnahmten Computer gaben nichts her, da Prime rechtzeitig alle Daten offenbar unwiederbringlich gelöscht hatte, und die Fahndung geriet von einer Sackgasse in die nächste.
Aber die Bombe hatte der Suche nach dem Old Man neuen Druck verliehen. Mit der Sondergenehmigung in Händen waren wir zu der einzigen Einrichtung unterwegs, die unseres Wissens nach Geschäfte mit ihm gemacht hatte. Der Haken an der Sache war, dass wir in der Eile nur die Erlaubnis zu einer Inspektion erhalten hatten. Damit konnten wir lediglich Einsicht in ihre Akten und Computer nehmen, aber nichts kopieren.
»Die Sache mit Reece macht mir entsetzlich zu schaffen«, sagte Lauren. »Ich fühle mich verantwortlich für ihren Tod.«
»Dich trifft keine Schuld«, sagte ich. »Reece schloss einen Spendervertrag ab, bevor du deine Wahl trafst.« Doch auch mich quälte die Frage, warum sich der Old Man ausgerechnet für Reece entschieden hatte. War es Zufall, dass er den Spenderkörper der Frau geopfert hatte, die mir als gesetzlicher Vormund zur Seite stand? Ich bezweifelte es, aber ich schwieg, um Lauren nicht noch mehr zu belasten.
»Deinen Worten nach hat sie sich äußerst merkwürdig verhalten?« Lauren sah mich fragend an.
»Ich glaube, sie war irgendwie fremdgesteuert. Aber wer immer in ihrem Körper steckte, machte seinen Job nicht sonderlich geschickt. Ihre Mimik wirkte starr, und sie bewegte sich ruckartig. Unnatürlich.«
Lauren murmelte etwas.
»Was?«, machte ich.
»Sonderbar.«
»Und dann war da noch dieser Mann, mit dem sie kurz vor der Explosion sprach.«
»Welcher Mann?«, mischte sich der Stabschef ein.
»Ein hochgewachsener Ender, sportlich, so um die hundert«, erklärte ich. »Mit einem Leoparden-Tattoo am Hals.«
»Wie lange dauerte das Gespräch?«, erkundigte er sich.
»Nur wenige Sekunden.«
Ich sah Lauren fragend an. Sie zog die Brauen hoch, als sei sie ebenfalls ratlos.
»Ausgerechnet ein Einkaufszentrum«, sagte ich. »Dort halten sich immer Kinder auf.«
Es war meine Schuld und nicht die Laurens. Um zu beweisen, dass wir niemals Ruhe vor ihm haben würden, hatte der Old Man diesen Ort ausgewählt, an dem ich mich befand, und Laurens frühere Spenderin benutzt, weil er wusste, dass ich sie kannte. Immer wieder ging es um mich – trug ich also die Verantwortung für all die Verletzten und den Tod des Mädchens?
Der Fahrer hielt am Straßenrand an. Wir hatten unser Ziel erreicht.
»Du
Weitere Kostenlose Bücher