Endstadium
Kranken mitgenommen hat. – Und keine Sorge, Herr Knobel: Er ist auch im Krankenhaus nicht allein. Sein Nachbar bleibt bei ihm, bis wir kommen. Er kennt doch die Krankengeschichte aus dem Magazin und hat überdies jetzt für ein paar Stunden eine neue Aufgabe. Nun?« Er lächelte wieder.
Stephan lehnte sich zurück.
»Welche Maßnahme greift?«, fragte Conny, die aufmerksam zugehört hatte.
Stephan fiel wieder ein, dass sie Juristin war. Er nahm das Handy aus dem Gras und gab seine PIN-Nummer ein. Als sich das Handy anmeldete, erschien zunächst die SMS von Schürmann. Dann rief Stephan im Villa del Conde an und bat, die Schlüsselkarte zum Hotelzimmer zu sperren. Danach rief er das Amtsgericht in Dortmund an und ließ sich mit der Abteilung für Familiensachen verbinden. Es dauerte einige Zeit, bis man ihn an die richtige Geschäftsstelle weitergeleitet hatte. Stephan fragte nach und wartete.
»Nein, ich habe nicht schon einmal angerufen«, versicherte er. »Bitte, sind Sie wirklich sicher?«
Dann hellte sich sein Gesicht auf.
»Der Scheidungsantrag ist Frau Rosell heute Morgen zugestellt worden«, berichtete Stephan. »Nicht hier in Spanien, sondern zu Hause in Dortmund. Die Haushälterin hat die Postzustellungsurkunde unterschrieben. Gerade eben hat die Geschäftsstellenbeamtin des Gerichts die Nachricht erhalten, dass die Zustellung erfolgt ist. – Damit ist das Ehegattenerbrecht erloschen. Der Scheidungsantrag ist noch zu Lebzeiten von Justus Rosell zugestellt worden. Das war zwingend notwendig. Und zugleich verliert Julita Rosell das Bezugsrecht aus der Lebensversicherung, denn Justus hat ja verfügt, dass sie im Falle des Scheiterns der Ehe dieses Recht verliert.«
»Und darum wollten Julita Rosell und Jens Hobbeling den Tod von Justus Rosell, bevor der Scheidungsantrag zugestellt wird. Von diesen Feinheiten wussten sie«, ergänzte Schürmann.
Conny blickte noch immer verständnislos.
Stephan erzählte ihr, wie er mit Marie im Computerraum des Villa del Conde den Scheidungsantrag für Justus Rosell gefertigt und dessen Originalvollmacht beigefügt hatte. Dass er in das Blankoformular als Verwendungszweck ›Härtefallscheidung‹ eingetragen hatte, erzählte er nicht. Aber er erklärte ihr, dass er im Scheidungsantrag die gesamte Geschichte dargelegt hatte und insbesondere, dass es in einem solchen Fall keines Trennungsjahres bedürfe, um die Scheidung einzuleiten.
»Julita Rosell bekommt also nichts, weder Geld aus der Lebensversicherung, noch beerbt sie ihren Mann«, schloss Stephan.
»Cool«, staunte Conny.
»Und das Ganze geht nur mit einem Familienrichter, der nicht nur brillanter Jurist, sondern zugleich auch Praktiker ist, sich für die Sachen einsetzt und weiß, wo Eile geboten ist«, ergänzte Marie. »Eine Zustellung innerhalb so kurzer Zeit, das ist wohl ganz ungewöhnlich.«
»Richter Peter Anders« nickte Stephan. »Schade, dass er jetzt in Pension geht. Die Justiz hat nur ganz wenige Persönlichkeiten wie ihn.«
Der Freund im Neoprenanzug regte sich. Er begann, gelangweilt ein Kaugummi zu kauen.
»Wir sollten die Polizei rufen«, sagte Stephan.
Schürmann lächelte.
»Wenn Sie der Polizei verständlich machen können, worum es in diesem Fall eigentlich geht, gern! – Kann von Ihnen jemand Spanisch?« Er drehte sich zu Alex, Conny und Matthias um.
Alle verneinten.
»Entscheiden Sie selbst, Herr Knobel«, sagte Schürmann. »Die Polizei hilft nicht wirklich weiter. Wir alle können bezeugen, wie wir Sie hier vorgefunden haben. Es ist zum Glück nichts weiter passiert. Das wesentliche Ziel haben wir erreicht. – Wir haben gewonnen, Knobel! Wir können stolz auf uns sein!«
Alex, Conny und Matthias gingen zum Strand zurück. Schürmann hatte ihre Adressen und vollständigen Namen notiert.
»Also keine Polizei …«, nahm er vorweg.
Stephan nickte unmerklich.
»Wir haben allen Grund zu danken«, fasste Marie zusammen.
Schürmann wehrte ab. »Es waren glückliche Zufälle.« Er strahlte wieder.
Dann stieg er in den alten Seat. Schürmann wollte schnell zu seiner Frau nach Deutschland. Das Auto heulte auf und fuhr knatternd vom Hof. Schürmann winkte noch einmal zurück, dann passierte er das verrostete Tor und war mit dem Auto hinter der Mauer verschwunden.
34
Marie und Stephan blieben noch bis zum Abend in Tasarte. Stephans Übelkeit verflog langsam. Sie setzen sich auf die Veranda des Restaurants La Oliva. Unter ihnen schlug der Atlantik mit
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