Endstadium
nie. Also hat er dort auch keine Erinnerungsstücke versteckt. Außerdem waren Sie nie mit meinem Mann allein, sodass er Ihnen diesen vermeintlichen Auftrag auch nicht erteilt haben kann.«
»Als Sie mit dem Boot in Tasarte waren und ich auf das Haus und Ihren Mann aufpasste«, fiel Stephan ein.
»Sehr schön, Herr Knobel! Das war der Tag, als es meinem Mann schon so dreckig ging, dass er keinen Satz mehr formulieren konnte und Sie im Übrigen zu seinem Befinden beigetragen haben, weil Sie ihm nicht das notwendige Mittel gegeben haben.«
»Die Vollmacht«, forderte Hobbeling wieder. »Guck’ die Akte durch, Julita!«, sagte er, ohne sie anzusehen. Seine Blicke blieben lauernd auf Marie und Stephan geheftet.
»Ich kann nur hoffen, dass die Vollmacht in der Akte ist. – Sonst …« Er vollendete den Satz nicht.
Julita Rosell setzte sich auf den Boden neben die Legokiste, legte die Akte vor sich hin und blätterte sie durch. Sie kontrollierte jede Seite. Kurz, bevor sie alle Seiten betrachtet hatte, sah sie auf und drehte die Akte um, sodass auch Marie und Stephan sie einsehen konnten.
Hobbeling beugte sich vor, um ebenfalls in die aufgeschlagene Akte blicken zu können. Er betrachtete die Zahlenkolonnen und die darin gelb markierten Ziffernkombinationen.
Er nickte, griff in die Akte und blätterte weiter. »Fünf, nein, sechs Seiten, auf denen sich meine Telefonnummer befindet«, staunte er. »Was soll das?«
Julita Rosell drehte die Akte wieder um.
»Das sind die Dokumente, die Rechtsanwalt Löffke gesucht hat«, sagte sie. »Er hat die Seiten ins Hotel gefaxt. Man sieht es oben an der Sendenummer. – Das also haben Sie gesucht?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Das war schlau, Herr Knobel! Sie hatten herausgefunden, dass Jens und ich uns kennen und sind dann auf die Idee gekommen, das wir uns vielleicht schon Jahre kennen, viel länger als bisher gedacht, also schon seit einer Zeit, als Justus noch gesund war. Und da sind Sie auf die Idee gekommen, mal in den früheren Geschäftsunterlagen zu wühlen. Denn wie so viele Unternehmen bewahren auch wir die Telefonlisten auf, die wir mit zu den Buchhaltungsunterlagen nehmen, um die Betriebsausgaben bezüglich der Telefonkosten nachweisen zu können. Dass man die Unterlagen zehn Jahre aufbewahren muss, wissen Sie. Und haben dann Ihren dicken Schnüffler losgeschickt, und siehe da: Ja, wir haben schon häufig zu einer Zeit miteinander telefoniert, als mein Mann noch gar nicht krank war. Und nun? Was wissen Sie jetzt?«
»Dass Sie uns belogen haben«, sagte Marie. »Denn es war nicht der Zufallskontakt, über den Ihr Mann zu Ihrem Liebhaber kam. Sie haben Justus direkt zu ihm geschickt, natürlich, ohne dies zu offenbaren.«
»Und das heißt?«, fragte Hobbeling.
»Das heißt«, erklärte Frau Rosell, »dass der Rechtsanwalt und seine Geliebte mutmaßen, dass du ihm absichtlich das erkennbare Ergebnis des ersten Röntgenbildes vorenthalten und ihn so absichtlich nicht der Therapie zugeführt hast, die damals vielleicht noch möglich gewesen wäre. – Ist es so, Herr Knobel?«
Stephan antwortete nicht.
»Also behaupten Sie, Jens und ich hätten meinen Mann auf diese Weise umgebracht«, schloss sie. »Sie gehen also davon aus, dass das erste Röntgenbild, das Jens verschickt hat, von mir zu Hause vernichtet worden ist, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Prozess meines Mannes gegen Jens verloren gehen muss. – Ist es so, Herr Knobel? – Das wäre ja sehr raffiniert. Aber wie, bitte schön, sollen wir planen, dass Justus erkrankt?« Sie schaute Stephan kalt an und stand wieder auf. »Die Wahrheit ist, dass nicht ich das Röntgenbild dem Briefumschlag entnommen habe. Es war Justus, und er hat es versteckt oder vernichtet.«
»Sie kannten die Symptome des Tumors vom Leiden Ihres Schwagers«, sagte Stephan unbeeindruckt. »Es war ein Zufall, aber Sie haben die Gelegenheit genutzt.«
»Das können Sie nie nachweisen«, sagte Hobbeling. »Auf dem Bild war nichts zu erkennen. Ich schwöre es. Was Sie behaupten, ist Humbug. Wofür wollen Sie Ihr Wissen und die vermeintlich zwingenden Schlussfolgerungen nutzen? Sie unterliegen doch der Schweigepflicht.«
»Nicht gegenüber uns«, wusste Frau Rosell. »Nur im Hinblick auf meinen Mann. – Noch mal: Was haben Sie mit der Vollmacht gemacht, Herr Knobel?«
»Nichts!«, erwiderte Stephan.
»Geben Sie den Hotelschlüssel!«, forderte Hobbeling.
Stephan gab ihm die Schlüsselkarte aus dem
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