Endstation bei Al Wheeler
einem
Sankt-Nikolaus-Kostüm Dean Carroll umgebracht hat? Warum haben sie sich das
Kostüm überhaupt ausgeliehen ?«
»Für die Party natürlich.« Sie
fuhr sich ungeduldig mit den Fingern durch ihr blondes Haar. »Ach, zum Kuckuck!
— ich hatte den dummen Einfall gehabt, mich gegen Mitternacht von den übrigen
wegzustehlen, mich als Sankt Nikolaus zu verkleiden und einen Sack voll
alberner kleiner Geschenke zu verteilen .«
»Wo ist das Kostüm jetzt ?«
»Es ist verschwunden! Ich legte
es gestern abend auf meinem Bett bereit, um es
anziehen zu können, wenn es soweit wäre, aber nachdem Sie gegangen waren und
ich zu Bett ging, war es verschwunden.«
»Warum haben Sie heute morgen nicht im Büro des Sheriffs angerufen und
berichtet, was vorgefallen ist ?«
»Nun«, sie lächelte vage, »ich
dachte, es wäre nicht weiter wichtig, Lieutenant .«
»Sie meinen, es war Ihnen zu
peinlich, es zu erwähnen«, sagte ich geduldig, »denn jedermann war angeblich
mit diesem reizenden >Mörderspiel< beschäftigt, als Carroll ermordet
wurde; und es wäre ganz einfach gewesen, sich in Ihr Zimmer hinaufzuschleichen,
das Sankt-Nikolaus-Kostüm anzuziehen, sich ins Gästezimmer hinabzustehlen und den Mord zu begehen. Allerdings vorausgesetzt, der Betreffende wußte vom
Vorhandensein des Kostüms .«
Ihre Augen wurden immer runder,
während sie mich anstarrte. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich ihn
umgebracht habe, oder ?«
»Warum nicht?«
»Aber — aber Sie sind wohl
übergeschnappt !« fuhr sie mich an. »Warum sollte ich
ihn umbringen? Ich kannte ihn ja kaum !«
»Ich habe keine Ahnung, weshalb
Sie ihn hätten umbringen wollen«, knurrte ich. »Aber ich halte Sie für eine
ausgemachte Lügnerin, und so besteht kein Grund, weshalb Sie mir nicht noch ein
paar weitere Lügen aufgetischt haben sollten, wie zum Beispiel die, daß Sie
Caroll kaum gekannt hätten und daß Sie keinen Grund gehabt hätten, ihn
umzubringen .«
»Jedes Wort, das ich Ihnen
gesagt habe, ist wahr, verdammt !« Ihr Gesicht färbte
sich in ein tiefes zorniges Rot. »Ich bin nicht bereit, einfach hier sitzen zu
bleiben und mich von Ihnen beleidigen zu lassen, Lieutenant. Ich werde meine
Rechtsanwälte rufen, und sie werden dafür sorgen...«
»Ich nehme alles zurück, will
mich sogar entschuldigen«, sagte ich, »wenn Sie mir einen Gefallen tun .«
»Und das wäre ?«
»Zeigen Sie mir den Sack mit
den albernen kleinen Geschenken, die Sie gestern nacht im Sankt-Nikolaus-Kostüm verteilen wollten ?«
»Ich...« Sie zupfte wieder an
ihrer vollen Oberlippe. »Das kann ich nicht .«
»Behaupten Sie bloß, sie seien
zusammen mit dem Sankt-Nikolaus-Kostüm gestohlen worden ?«
»Nein, ich...« Dann klingelte
es an der Haustür, und in ihre Augen trat ein Ausdruck dankbarer Erleichterung.
»Entschuldigen Sie mich, Lieutenant .«
Sie rannte beinahe aus dem Zimmer,
und nicht einmal der Anblick ihres straffen, auf- und abtanzenden Pos
entschädigte mich für die Unterbrechung. Ich zündete mir eine Zigarette an und
wartete mit der Magengeschwüre hervorrufenden Geduld — dem hauptsächlichen
Berufsleiden des professionellen Polizeibeamten — , die in mir kochte.
Als sie ins Zimmer
zurückkehrte, kam ein großer dünner Bursche hinter ihr her getrottet. Er hatte
ein mageres Mephistogesicht , leicht gelichtetes
schwarzes Haar und sah aus, als wäre er entweder für einen Besuch auf der Bank
oder für ein Begräbnis angezogen. Der ordentliche schwarze Anzug und die dazupassende Krawatte — geschmackvolle Trauer gegen den
Hintergrund eines schneeweißen Hemds — ließen einen Augenblick lang in mir die
nervöse Überlegung aufkommen, ob er nun nicht gleich auch einen
zusammenlegbaren Sarg hervorziehen und bei mir Maß nehmen würde.
»Lieutenant?« Iris Malone ließ
mir ein gewaltiges gespieltes Lächeln zukommen. »Sie erinnern sich sicher an
Larry Wolfe ?«
»Tatsächlich?« Ich starrte den
Mann ein paar Sekunden lang scharf an, setzte ihm dann im Geist zwei Hörner auf
den Kopf. »Klar — Satan?«
»Hallo, Lieutenant!« Seine
Stimme hatte noch immer diesen schneidenden Ton, auch wenn er keine
schneidenden Bemerkungen machte, stellte ich fest. »Ich wollte nur schnell zu
Iris kommen, um nachzusehen, wie es ihr geht; aber wenn ich hier störe, werde
ich...«
»Natürlich störst du nicht im
geringsten, Larry«, sagte Iris mit allzu freundlicher Stimme. »Wir haben uns
nur eben ein bißchen unterhalten, Lieutenant, nicht wahr ?« Sie fuhr
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