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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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färöischen Zeitungen, die sich in meiner Wohnung gestapelt hatten, während ich in Rom war, hatten über Sonjas Tod berichtet. Es war während einer Versammlung oder eines Treffens – die Zeitungen waren sich nicht einig in der Wortwahl – auf dem Støðlafjall zwischen Gøta und Søldjførður gewesen. In den Sommermonaten in die Berge zu gehen, war eine alte Tradition, die die Veranstalter wieder aufleben lassen wollten. Im Unterschied zu früher wollten die Leute die ganze Nacht dort oben bleiben und auf den Sonnenaufgang warten – ähnlich wie bei der Mittsommernachtsfeier auf dem Skælingsfjall – und ansonsten am Lagerfeuer färöische Lieder singen. Sonja Pætursdóttir war ohne Begleitung gekommen, aber viele ihrer Bekannten waren dort gewesen. Irgendwann im Laufe der Nacht verschwand sie. Diejenigen, denen das auffiel, dachten, sie sei nach Hause oder irgendwo anders ins Gebirge gegangen. Es waren mehr als hundert Personen dort gewesen, man konnte nicht auch jeden Einzelnen achten. Erst am nächsten Tag wurde Sonjas Leiche von einer Frau aus Gøta gefunden, die auf der Suche nach einer entlaufenen Kuh war.
    Viel mehr hatte nicht in den Zeitungen gestanden, außer der Aufforderung an die Organisatoren solcher Versammlungen, künftig dafür zu sorgen, dass niemand vom Berg herunterfiel. Die Behörden sollten entsprechende Verordnungen erlassen und jemand meinte, diese nächtlichen Treffen im Gebirge sollten gänzlich verboten werden, da sie nur zu Hurerei und Alkoholgenuss führten. Ich hatte nicht übel Lust, selbst einmal an einer Versammlung teilzunehmen.
    Es war nicht auszuschließen, dass Sonja gefallen war. Wenn man genug intus hat, ist das gar nicht so schwer. Aber es gab einiges, was mir nicht gefiel. Zunächst einmal konnte ich mir Sonja überhaupt nicht in den Bergen vorstellen. Sie ging keine zwei Schritte, wenn sie stattdessen Auto fahren konnte. Stets trug sie hochhackige Schuhe und enge Röcke und mit einem Sektglas in der Hand fühlte sie sich wohler als mit dem Liederbuch des Färöischen Volkes. Sofern es überhaupt jemanden auf den Färöern gab, der sich in der Nähe des Yuppie-Stils bewegte, dann war es Sonja. Ihr Problem dabei war, dass sie nicht genug Geld hatte. Natürlich konnte sie ihren Stil geändert haben, aber das glaubte ich nicht.
    Und dann der Brief an mich. Vielleicht irrte ich mich, aber trotz des leichten Tons kam es mir so vor, als steckte etwas Ernstes hinter ihrem Wunsch, mit mir zu reden. Denn wenn wir miteinander telefoniert hatten, dann war immer ich derjenige gewesen, der anrief. Wenn sie also wochenlang versucht hatte, mich telefonisch zu erreichen, dann musste das etwas bedeuten.
    Aus Kopenhagen hatte ich die Polizeiwache in Tórshavn angerufen und mit einem alten Schulfreund gesprochen, der jetzt bei der Kriminalpolizei arbeitete. Er erzählte mir, dass der Vorfall auf Støðlafjall als ein selbst verschuldeter Unfall registriert worden war. Auf meine Frage, ob es nicht irgendetwas Ungewöhnliches an diesem Unfall gab, wollte er zunächst nichts sagen, aber dann kam es: »Es gibt ein merkwürdiges Detail bei Sonja Pætursdóttirs Tod. Sie ist zu weit gefallen, bevor der Körper auf den Felsen aufgeprallt ist. Als hätte sie Anlauf genommen.«

3
    Nebel und Sprühregen. Ich stand unter dem Vordach des Flughafengebäudes und rauchte eine Zigarette. Da die Maschine verspätet war, gab es weder Bus- noch Fähranschluss und die Reisenden mussten warten. Ich beneidete diejenigen, die ihr Auto am Flughafen stehen hatten und sofort losfahren konnten.
    Hugo war einer von ihnen, aber er sah auf dem Weg zu seinem Wagen weder nach rechts noch nach links. Als er aus der Parklücke fuhr, sah ich, dass sein Auto ein funkelnagelneuer Nissan Bluebird war. Woher um alles in der Welt hatte Hugo Geld für so einen Wagen? Er war mit einer Dänin verheiratet gewesen und hatte zwei Kinder, war aber vor Kurzem geschieden worden. Das alles konnte nicht gratis sein. Danach war er wieder auf die Färöer gezogen und hatte Arbeit bei einem der wohlhabenderen Ingenieure bekommen, einem derjenigen, die für den Staat bauten. Vielleicht ein Firmenwagen?
    Nach langem Warten kam endlich der Bus, aber bei Oyrargjógv war die Fähre noch nicht da. Ein großer Teil der Reisenden stieg aus und lief auf dem Anlieger herum, Nieselregen oder nicht, ich war einer von ihnen. Einige standen zusammen und tranken aus einer Whiskyflasche, von ihnen war lautes Gelächter zu hören. Es waren dieselben

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