Endstation Nippes
fauchte sie ärgerlich.
»Ich muss dringend die Polizei anrufen«, gab ich zurück.
Worauf ihr fast der Hörer aus der Hand fiel. Das sind sie hier nicht gewohnt.
Sie beendete ihr Gespräch und schnappte dann: »Und worum geht es, wenn ich fragen darf?«
»Sie können mir auch mein Handy zurückgeben«, erwiderte ich, »dann kann ich selber telefonieren.«
»Wer sind Sie überhaupt?«
Das Gespräch schaukelte sich hoch, und ich hatte es eilig. Also versuchte ich, zu deeskalieren. »Eine Ihrer Klientinnen hier muss eine Aussage machen in einem aktuellen Fall. Ich kenne die Polizeikommissarin, die diesen Fall bearbeitet, und muss sie sofort verständigen. Es geht um den Mord an den beiden Kindern und der Pflegemutter in Köln, vielleicht haben Sie davon gehört.«
»Und welche Rolle spielen Sie bei dem Ganzen? Und wie heißen Sie überhaupt?«
»Komm«, sagte Nele, »wir nehmen das Patiententelefon.«
»Sie nehmen hier gar nichts!« Sie stand auf, als wollte sie uns physisch daran hindern.
»Ich möchte auf der Stelle den leitenden Arzt sprechen. Sie behindern polizeiliche Ermittlungen, damit machen Sie sich strafbar. Ist Ihnen das klar?«
»Also, wo genau wollen Sie anrufen?«, fragte sie, einen Zentner Hohn in der Stimme.
»Im Polizeipräsidium Köln.«
»Und die Nummer?«
»Ist in meinem Handy eingespeichert. Ich kann sie Ihnen aber auch googeln, wenn Sie mich an Ihren Rechner lassen.«
Nele versuchte vergeblich, sich das Grinsen zu verkneifen.
Sie sah in einem Verzeichnis auf ihrem Schreibtisch nach und wählte eine Nummer. »Und wen wollen Sie da sprechen?«
»Polizeikommissarin Tina Gruber. Wenn sie nicht erreichbar ist, Polizeioberkommissar Axel Meyer. Und wenn der auch nicht da ist, können Sie es bei Oberstaats…«
»Ja, guten Tag, Rheinische Landeskliniken Düren, Station 3D, Schulze mein Name. Moment bitte. – Wie war der Name?«
Ich sagte es ihr. Fügte hinzu: »Mordkommission.«
»Ich hätte gerne Polizeikommissarin Gruber von der Mordkommission gesprochen. Ja, danke schön. Ich bleibe dran.« Inzwischen hatte sie geschnallt, dass sie mich falsch eingeschätzt hatte. Sie reichte mir den Hörer weiter.
»Tina? Pass auf, ich bin in Düren. Da ist eine Frau, die kann dir etwas sehr, sehr Wichtiges erzählen. Es geht möglicherweise um den Arzt, den wir suchen. Kannst du direkt hierherkommen und ihre Aussage aufnehmen?«
Nein, sagte sie, sie könne gerade überhaupt nicht weg. Aber sie würde die Frau mit einem Streifenwagen nach Köln und dann wieder zurückbringen lassen, wenn die damit einverstanden wäre. Ich bat Nele, Sylvie zu holen. Fragte sie, ob sie sich von den Grünen ins Präsidium in Köln und zurückchauffieren lassen würde. Sie zögerte erst, dann stimmte sie zu.
»Okay, Tina«, sagte ich, »die Frau macht das. Sie heißt Sylvie …?«
»Hansen«, flüsterte Sylvie.
»Sylvie Hansen. Und alles Weitere musst du jetzt mit der hiesigen Sozialarbeiterin klären.« Ich hielt der Lady den Hörer hin, nickte Nele und Sylvie zu und rauschte mit ihnen ab.
»Boah, geil«, hauchte Nele.
»Ja, cool, ne?«, meinte sogar Sylvie und musste ein klein wenig lächeln.
Mein Ego blähte sich zufrieden auf. Der Bodhisattva-Azubi in mir signalisierte, dass er meinen Triumph nicht so wahnsinnig toll fand. »Die Frau kennt dich nicht«, stellte er nüchtern fest. »Du hast dich ihr nicht vorgestellt. Du bist unaufgefordert bei ihr reingeplatzt und hast ihr Anweisungen gegeben. Möchtest du, dass jemand so mit dir umspringt?«
Möchte ich nicht. Ich bockte noch ein Weilchen, dann ging ich zurück in ihr Büro. Klopfte höflich an.
»Darf ich noch mal kurz reinkommen?«
»Bitte.« Freundlich klang das nicht gerade.
»Ich möchte mich entschuldigen«, sagte ich. »Ich heiße Katja Leichter, ich bin Journalistin, und ich habe durch meine Recherchen ein Verbrechen aufgedeckt. Und jetzt habe ich von einer Ihrer Klientinnen einen sehr wichtigen Hinweis bekommen, den ich der Polizei sofort weitergeben musste.«
Sie sah mich an, ohne eine Miene zu verziehen.
»Sofort hieß in dem Fall wirklich sofort. Deshalb bin ich so bei Ihnen reingeplatzt. Tut mir leid.«
Sie guckte ein wenig freundlicher. »Ist schon gut. Hat Frau Hansen etwas mit dem Fall zu tun?«
»Nein, gar nicht. Sie kennt nur möglicherweise einen Mann, den die Polizei als Täter sucht. Ohne dass sie selbst das weiß.«
Sie nickte. Sah mich an, zögerte und sagte schließlich: »Frau Hansen ist auf einem guten Weg. Es wäre
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