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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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KV Nordrhein einen Arzt haben, der van Maarsen heißt. Aber …« Er zögerte, und ich hielt die Luft an. »Aber«, fuhr er endlich fort, »ich hatte einen Schulkameraden, der van Maarsen hieß. Ich weiß allerdings nicht, was aus ihm geworden ist, dafür habe ich mich auch nie interessiert.«
    Das klang nicht so, als sei ihm dieser van Maarsen sympathisch gewesen.
    »Wie war der denn? Damals, als Schüler?«
    »Nun ja …«
    Ich hörte, wie Hanna im Hintergrund flüsterte: »Nun sag’s ihr schon!«
    Ich langte nach meiner Zigarettenpackung, zog eine heraus, klemmte mir den Hörer zwischen Ohr und Schulter und versuchte, mir die Kippe anzuzünden. Vergeblich.
    »Nun, also, Josef, er hieß Josef van Maarsen … er war ein eher unangenehmer Zeitgenosse. Sehr von sich eingenommen. Sein Vater war irgendetwas im Auswärtigen Amt. Die Villa, ich war einmal zu einem Geburtstag dort eingeladen, also, da standen Unmengen von asiatischen Antiquitäten herum. Buddha-Statuen, indische Tempeltänzerinnen, Tempellöwen, alles Mögliche. Mich hat das damals sehr beeindruckt, ich war so um die sechzehn und hatte gerade ›Siddhartha‹ gelesen. Äh, Verzeihung, ich schweife ab.«
    Offenbar hatte ihn Hanna ins Schienbein getreten.
    »Josef«, fuhr er fort, und seine Stimme klang nun nicht mehr angenehm, sondern gepresst, »hat kleine Kinder gequält. Er wurde deshalb von der Schule relegiert. Er kam dann, soweit ich weiß, in ein privates Institut in der Schweiz.«
    »Was genau heißt ›gequält‹?«, fragte ich atemlos.
    »Nun, er … Ich habe es selbst nicht gesehen, das sind Informationen aus zweiter Hand.«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Er … er hat wohl, so heißt es, einem kleinen Jungen einen Stock in … in den After gestoßen.«
    »Und wo war das? Wo sind Sie zur Schule gegangen? In Köln?«
    »Nein, in Bonn.«
    »Eine Frage noch: Hatte dieser Josef van Maarsen eine Schwester?«
    »Ja, aber die kannte ich kaum. Sie war ein paar Jahre jünger als wir. Sie war ein sehr stilles Mädchen, ich würde fast sagen scheu. Und sie war wohl auch öfter krank.«
    Ich dankte ihm. Rief Paul an und gab ihm die Info weiter. Bei Tina erreichte ich nur die Mailbox. Wieder beschlich mich dieses komische Gefühl von Bedrohung. Ich zog mir alle Dateien, die ich zu Marco, Grimme und Co hatte, einschließlich der Mails, auf meine tragbare externe Festplatte und löschte sie auf der Festplatte des Rechners. Löschte den Papierkorb. Fragte mich, ob ich paranoid war. Und wenn schon! Ich ging auf die Neusser in den Copyshop und druckte die Grimme-Datei zweimal aus. Dabei fiel mir ein, dass ich ganz viele »einschlägige« Ausdrucke in der WDR -Mappe und außerdem die Kopie des Grimme-Notizbuchs in meinem Dope-Bunker hatte. Ich lief zurück in die Wohnung und packte alles in meinen Rucksack. Dann ging ich rüber zu Hertha, gab ihr den einen Ausdruck, erzählte ihr von meinen Vorsichtsmaßnahmen, bat sie, den Ausdruck ganz gründlich zu lesen und dann im Klo zu verbrennen. Sie sah mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Vielleicht war es ja auch so.
    »Hertha, du hast den Typen im Hausflur gesehen, ›anal-ohne-Gummi‹, du erinnerst dich?«
    »Hörma, wenn ich das alles in meinem Klo verbrenne, dann rufen die Nachbarn die Feuerwehr. Was meinste, wie das qualmt!«
    Sie war nüchtern, stellte ich erfreut fest. »Dann bring es irgendwo hin, du darfst es bloß nicht bei dir in der Wohnung lassen.«
    »Was steht da denn drin?«
    »Ich habe alles aufgeschrieben, was passiert ist, seit ich den Marco zum ersten Mal gesehen habe. Und was ich mir dazu denke. Und was sich andere dazu denken. Und ich möchte, dass du guckst, ob dir irgendetwas auffällt. Etwas, auf das noch keiner von uns gekommen ist. Okay?«
    Sie nickte nachdenklich. »Ich soll dir von der Nele bestellen, das ist ihre letzte Entgiftung. Noch eine machtse nicht. Da machtse sich lieber weg.«
    »Ja, die ist jetzt in der schlimmsten Phase.« Ich bemühte mich, ihr nicht allzu deutlich zu zeigen, wie sehr ich mich darüber freute, dass sie Nele angerufen hatte.
    »Hast du schon was gegessen?«
    Hatte ich nicht. Ich musste aber erst meine Unterlagen woanders bunkern. Ich sagte Hertha, wenn sie noch ein Stündchen auf mich warten könnte, würde ich nichts lieber tun als mit ihr essen. Und dann bat ich sie, ihr Telefon benutzen zu dürfen. Ina war da. Ich sagte ihr, ich wäre in einer Viertelstunde bei ihr, und hängte ein, bevor sie nachfragen konnte. Als ich das Rad aufsperrte, nahm ich aus
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