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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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dem rechten Augenwinkel eine Bewegung wahr.
    »Junge Frau, nu sagen Sie doch was!« – »Man muss die Ambulanz rufen!« – »Und die Polizei!« – »Hab ich doch längst!« –»Junge Frau!«
    Mit wem reden die?, dachte ich. Mein Kopf schmerzte so heftig, dass selbst das Öffnen der Augen eine Qual war. Also machte ich sie wieder zu.
    »Sie hat geblinzelt.« – Lalülalülalü …
    »Aufhören«, bettelte ich stumm, »bitte aufhören!«
    Es tat so weh! Aber die Sirenen wurden nur noch lauter. Dann Autolärm, Türenknallen.
    »Katja, Liebschen!« Das war Herthas Stimme.
    »Können Sie mich hören? Können Sie die Augen öffnen? Geben Sie mir bitte ein Zeichen.«
    Das war jetzt eine fremde männliche Stimme. Langsam raffte ich es: Ich lag auf dem Boden, und jemand hatte die Ambulanz verständigt. Ich schlug die Augen auf. Aua! Ein Sanitäter kniete neben mir auf dem Boden. Ein Polizist beugte sich zu mir herab.
    »Ich hab dat jenau jesehen!«, rief eine ältere Frau, »der hat der eins op de Nuss jejeben, und dann hat der ihr den Rucksack herunterjerissen, und fott wor er.«
    Na super. Irgendetwas war mit dem Rucksack. Ich wusste bloß nicht, was.
    »Scheiße!« Das war wieder Hertha.
    Sie brachten mich ins St.-Vinzenz-Hospital. Irgendwann zwischen Warten, Untersuchung, Warten, Arztgespräch kam Stefan, sah mich an, als wäre ich schon gestorben, und nahm mich vorsichtig in den Arm.
    »Was machst du für Sachen!«
    »Ich?«, krächzte ich.
    Sie entließen mich mit dem Hinweis, ich solle mindestens zwei Tage stillhalten. Der Arzt drückte mir einen Riegel Ibuprofen in die Hand und winkte dem Polizisten, der auf dem Flur saß und den Express las. Er kam zu mir und bot an, mich direkt mitzunehmen, damit ich Anzeige erstatten konnte. Aber gerne! Stefan wich nicht von meiner Seite.
    Auf der Wache erzählte ich den Bullen von dem »Anal-ohne-Gummi«-Typen, ohne ihn als solchen zu bezeichnen. Warum ich das Gefühl hätte, ich würde verfolgt werden, fragte der eine. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Meine Kopfschmerzen wurden schlimmer, obwohl das eigentlich gar nicht mehr möglich war.
    »Frau Leichter und ihre Nachbarin«, meldete sich nun Stefan mit seiner professionellen Therapeutenstimme zu Wort, »haben zweimal beobachtet, dass ein Mann in ihrem Hausflur herumstand. Dieser Mann hat niemanden besucht, er hat nach nichts gefragt, er war einfach nur da. Und jetzt hat ein Mann Frau Leichter vor ihrer Haustür zusammengeschlagen und ihren Rucksack geraubt. Es wäre schön, wenn Sie einfach die Anzeige aufnehmen könnten, ohne Frau Leichters Verstand infrage zu stellen.«
    »Wie sah der denn aus?«, wollte der Polizist wissen, der mich aus dem St.-Vinzenz-Hospital auf die Wache gefahren hatte. Ich beschrieb den Typen, so gut es mir gerade gelang. Der Polizist nickte, zog ein Notizbuch aus der Tasche, las darin und nickte erneut.
    »Genau so«, sagte er zu seinem Kollegen, »hat eine Passantin, die das Geschehen beobachtet hat, den Täter beschrieben.«
    »Na, dann wollen wir mal«, meinte der und setzte sich an den Computer. Ich beschrieb also noch einmal den Mann im Hausflur. Zum Überfall konnte ich ihm beim besten Willen nichts sagen. Dafür war mir wieder eingefallen, was ich im Rucksack gehabt hatte. Aber das wiederum wollte ich den Bullen nicht erzählen. Mir war jetzt noch übler als vorher.
    Ich schleppte mich, gestützt von Stefan, aus der Wache. Am Bahnhof stiegen wir in eine Taxe und fuhren zu mir nach Hause. Ich legte mich ins Bett und heulte mir die Seele aus dem Leib. Ich hatte alles vermasselt. Die Arschlöcher hatten jetzt alle meine Unterlagen und mein gesamtes Protokoll. Ich hörte, wie Stefan mit Paul telefonierte.
    Als er fertig war, schrieb ich ihm Tinas Privatnummer auf einen Zettel und formte mit den Lippen: »Ruf sie von der Straße aus an.«
    Dann warf ich zwei Ibuprofen ein und zog mir die Decke über den Kopf. Rosa sprang auf das Bett, stieg ein paarmal über mich drüber und kuschelte sich schließlich an meinen Bauch. Was einen neuen Schwall Tränen bei mir auslöste.
    Als ich wach wurde, saß Tina Gruber an meinem Bett und hielt mir eine Tasse duftenden Assam hin. Auf meinem Nachtkästchen stand ein Tablett mit Kirschkuchen und Mohnstreusel. Tina sah ziemlich besorgt aus.
    »Wie geht es dir?«
    »Blendend. Ich hab bloß ‘n dicken Kopf.« Sogar das Lachen tat weh.
    »Musstest du dich erbrechen?«
    »Nö. Keine Gehirnerschütterung. Das haben sie mir schon im Krankenhaus gesagt.

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