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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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war ein schwerwiegender Fehler. Sunny sprang an Chantal hoch und gab schreckliche kleine Laute von sich. Rosa stand, zu einer Kugel aufgeblasen, auf der Ablage, das Fell in alle Himmelsrichtungen gesträubt, und fauchte wie eine angeschossene Wildkatze. Für zwei unliebsame Überraschungen an einem Tag war sie einfach zu alt. Chantal klammerte den zitternden Sunny an sich und sah mich hilfesuchend an. Ich ging zu Rosa und beugte mich zu ihr vor, soweit ich mich traute.
    »Rosa, Röschen, meine Süße, das ist ein gaaanz kleiner Hund, ein Baby, das tut dir nichts! Das musst du beschützen, du bist die Große, du könntest seine Mama sein!«
    Auf derlei biologischen Schwachsinn ging sie natürlich nicht ein. Sie hörte auf zu fauchen, fixierte den Eindringling aber weiterhin mit gesträubtem Fell.
    Ich zog mich mit Chantal und dem völlig verschreckten Sunny in mein Arbeitszimmer zurück. Sie legte den Welpen auf meinem Schreibtisch ab, streichelte ihn und redete mit Engelszungen auf ihn ein. Langsam beruhigte er sich und begann interessiert an meiner Tastatur zu schnuppern. Dann entdeckte er die Maus. Ich ließ ihn ein wenig damit spielen, dann nahm ich sie ihm wieder weg. Er quittierte diese Grausamkeit mit einem Pups, der stank, als sei dieses Baby bereits ein ausgewachsener Labrador.
    »Iiiiiih«, rief Chantal und hielt sich die Nase zu.
    Der Sachbearbeiter auf dem Jugendamt, erzählte sie schließlich, war »so weit okay« gewesen. Er hatte sie allein zu sich ins Büro geholt und ihr ein paar Fragen gestellt: Warum sie bei Hotte bleiben wollte, ob sie nicht doch zurück ins Heim wollte, ob Hotte ihr Frühstück machen würde »und so ‘n Quatsch« – und dann hatte sie draußen warten müssen.
    »Und jetzt soll aber so ‘ne Tusse dreimal die Woche kommen und gucken, ob ich noch lebe oder so«, meinte sie abfällig.
    Ich sagte ihr, dass ich das gar nicht so verkehrt fände, und erklärte ihr, was eine Familienhelferin war und was sie alles für sie tun konnte. »Weißte, der Hotte kann ein paar Sachen einfach nicht, die hat er als Mann nie machen müssen, der hat keine Erfahrung mit Kindern …«
    »Ich aber!«, fiel sie mir ins Wort.
    Wohl wahr. Chantal hatte sich um Marco gekümmert, wenn ihre Mutter auf dem Strich gewesen war und wenn sie mal wieder voll breit auf dem Teppich gelegen hatte. Wir unterschätzen dieses Mädchen, dachte ich. Und gleichzeitig überschätzen wir sie. Und dann sagte ich ihr genau das.
    »Du hast schon viel Verantwortung getragen, Chantal, zu viel. Du sollst jetzt auch einfach mal nur auf dich gucken, weißte? Kung-Fu machen, mit Sunny spielen, für die Schule lernen … Und Hotte soll lernen, wie man einen Haushalt führt. Das tut ihm gut. Der ist jetzt immer da und – äh – arbeitslos, ne?« Ich grinste anzüglich, und sie musste kurz lächeln. »Da ist dem langweilig. Und so hat er etwas zu tun. Und die Familienhelferin kann ihm beibringen, wie man was am geschicktesten macht. Okay?«
    Sie war nicht ganz einverstanden, das konnte ich ihr ansehen. Aber sie sagte auch nichts dagegen.
    »Wie ist das Kung-Fu?«
    »Cool. Ich geh jeden Tag zur Mary zum Training. Dann kann ich im September direkt in den Kurs einsteigen.«
    »Super! Hat Hotte schon versucht, dich an der Peter-Ustinov-Schule anzumelden?
    »Keine Ahnung.«
    Okay, Schule war grade kein Thema für Prinzessin Chan-Tal. Ich beließ es erst mal dabei.
    Chantal war noch nicht ganz aus der Tür, als sich die Ereignisse überschlugen. Als Erstes rief Tina an: Sie hatte bei den Asservaten einen kleinen Kamm und ein Plüschküken aus dem Grimme’schen Kinderzimmer gefunden und in die Rechtsmedizin gebracht. Und soeben den Befund bekommen: »In dem Kamm war noch ein Haar, und an dem Küken dito. Und jetzt halt dich fest, Katja! Die DNA ist nicht die von Marco, sondern identisch mit der des toten Mädchens aus dem Rhein.«
    »Ja, klar«, erwiderte ich schnippisch. »Und jetzt?«
    »Jetzt sieht mein Vorgesetzter die Dinge etwas anders. Er hat Grimme vorgeladen. Für heute Mittag, also jetzt gleich. Ich melde mich wieder!«
    Als Nächste hatte ich Hanna an der Strippe. »Katja? Mein Mann ist gerade nach Hause gekommen. Die Tagung war doch früher zu Ende, ich reiche ihn dir mal weiter.«
    »Frau Leichter?« Er hatte eine angenehme Stimme. »Hanna hat mir angedeutet, dass ein van Maarsen in ein Verbrechen verwickelt sein könnte?«
    »Ja.«
    »Ich bin erst morgen wieder im Büro, vorher kann ich leider nicht nachsehen, ob wir in der
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