Endstation Nippes
Horrorgeschichte nur Scheiße gebaut. Scheiße, Scheiße und noch mal Scheiße. Ihr habt einen zehnjährigen gefolterten Jungen vom Opfer zum Täter gemacht. Ihr habt ihn zum Stricher erklärt und ihm einen Mord angehängt! Ihr habt einen unschuldigen alten Mann dazu gebracht, dass er sich im Knast den Strick gibt, weil ihr ihn zum Kinderschänder erklärt und ihm gleich noch zwei Morde angehängt habt. Dafür habt ihr die echten Kinderficker und die echten Mörder munter weitermachen lassen. Und ich werde nicht zulassen«, ich merkte, dass ich schrie, und senkte die Stimme, »ich werde nicht zulassen, dass ihr jetzt Hotte einen Bruch anhängt. Und ich werde nicht zulassen, dass Chantal wieder ins Heim kommt, weil ihr Hotte an den Karren fahrt. Hast du mich gehört?«
Ich sank in meinem Sitz zurück und fühlte mich zu Tode erschöpft. Das Pochen hinter der rechten Schläfe war wieder da und dröhnte durch den ganzen Kopf. Ich hätte am liebsten nur noch geheult und mir die Seele aus dem Leib gekotzt. Und mir die ganze Pädo-Horrorgeschichte aus dem Kopf geschnitten. Eine leise Stimme in mir sagte: Vermutlich geht es Tina genauso. Ich sah zu ihr hin. Sie war kreidebleich, umklammerte das Lenkrad und starrte durch die Windschutzscheibe. Ich berührte sie leicht am Arm und murmelte: »Sorry.« Sie sah zu mir her und konzentrierte sich dann wieder auf die Straße. Auf der Maastrichter fuhr sie in das Parkhaus. In der ersten Etage sahen wir Paul und Gorowski aus dem Auto steigen. Tina suchte einen freien Platz, stellte den Motor aus und ließ sich in ihren Sitz zurücksinken.
»Sag mir, was deine Version ist. Und bei der musst du dann bleiben.«
Ich schluckte. Eigentlich hatte ich mir noch gar keine »Version« überlegt. Also improvisierte ich.
»Ich habe Hotte gesagt, ich würde ein Hörspiel schreiben, in dem es um einen Einbrecher geht. Und da soll es eine Szene geben, in der dieser Typ in ein Haus einbricht. Und dafür soll er mir genau beschreiben, wie das geht. Und welches Werkzeug man dafür braucht. Und, und, und. Ja, und das hat er gemacht. Und dann habe ich ihn noch gebeten, ob er mir seine alte Ausrüstung für ein, zwei Tage leiht, damit ich die, wenn ich die Szene schreibe, auch wirklich realistisch beschreiben kann. Und dann hab ich die Sachen genommen und bin bei Grimme eingestiegen.«
Tina wiegte zweifelnd den Kopf. »Ich bin nicht sicher, dass dir mein Vorgesetzter das abnimmt. Oder Gorowski.«
»Und wenn ich sage, ich hab in meiner Jugend schon mal Brüche gemacht? Wären die dann jetzt verjährt?«
»Wenn das in deiner Jugend war, ja.«
Stefan tippte mir von hinten auf die Schulter. »Wir sollten jetzt zu Paul gehen. Die warten auf uns.«
»Ja, gleich«, erwiderte Tina. Dann wandte sie sich wieder an mich. »Ist dieser Gorowski okay?«
»Ich glaube schon. Paul ist sich jedenfalls sicher.«
Wir versammelten uns im Konferenzraum. Als Axel Meyer, Tinas Vorgesetzter, eintrudelte, stellte Tina uns alle einander vor, und Paul bot an, sie könne ihrem Chef die DVD in seinem Büro vorführen.
»Welche DVD ?«, fragte Meyer. »Worum geht es hier überhaupt?« Und an Tina gewandt: »Kann mich mal einer aufklären?«
»Ja«, sagte sie trocken und führte ihn nach oben.
Während Meyer mit dem Sichten der DVD beschäftigt war, rief Tina eine Kollegin bei der Sitte an. Sagte ihr, sie müssten quasi auf der Stelle eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme durchführen, nein, eine staatsanwaltliche Genehmigung habe sie nicht, ob ihr Staatsanwalt …? Und wenn nicht, dann sei eben Gefahr in Verzug. Keine zehn Minuten später rief die Frau von der Sitte zurück: Alles geregelt.
»Tja, auf Nikki ist Verlass«, meinte Tina zufrieden.
Dann kam Meyer blass um die Nase zurück in das Konferenzzimmer. Billigte Tinas Vorschlag, mit zwei Kollegen von der Sitte eine sofortige Hausdurchsuchung bei Grimme zu machen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Diese DVD «, überlegte Tina laut, »beweist schon mal unzweifelhaft, dass Marco missbraucht wurde. Und dazu haben wir Spuren von dem toten Mädchen in der Grimme’schen Wohnung. Das muss erst mal reichen. Und wenn wir Glück haben, finden wir bei der Durchsuchung weiteres Beweismaterial.« Sie wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an ihren Vorgesetzten: »Diese DVD zum Beispiel.«
»Wo kommt die überhaupt her?«, fragte der drohend. Offenbar hatte er sich wieder gefasst.
Ich erzählte ihm meine Einbruchsstory. Paul fiel der Kiefer runter, Gorowski
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