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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes
Autoren: Ingrid Strobl
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hinunter und warf die Broschüre in Herthas Briefkasten. Die Kopie legte ich unter meine Fußmatte. Da hatten bei meiner letzten Hausdurchsuchung noch nicht mal die Bullen nachgesehen.
    Ich setzte Wasser auf und sah nach, ob ich noch Kräutertee hatte. Fand einen Rest »Milder Abend« und schüttete ihn ins Teesieb. Schrieb Tina Gruber eine SMS : »9 Campi«. Sprach Paul auf die Mailbox, er und sein Kumpel von der Gegenseite sollten unbedingt um neun Uhr vor dem Campi sein. Es gehe um Leben und Tod. »Und«, fügte ich sicherheitshalber hinzu, »auch wenn es melodramatisch klingt: Es ist sehr ernst!« Dann kippte ich das kochende Wasser in die Spüle und den Teerest in den Mülleimer, zog mich aus, stellte den Wecker auf sieben und sank in die Kissen.
    Rosa weckte mich, indem sie mir ihren frühmorgendlichen Pestatem ins Gesicht hauchte. Ich setzte mich vorsichtig auf, der Kopfschmerz hielt sich freundlicherweise in Grenzen. Ich gab Rosa zu fressen und frisches Wasser, machte mir einen Tee und aß dazu eine Scheibe Brot mit Marmelade. Margarine war keine mehr im Kühlschrank. Und sonst auch nicht viel. Ich verzichtete auf eine Kippe, setzte mich stattdessen vor meinen Tara-Altar und meditierte so konzentriert wie schon lange nicht mehr. Um acht rief ich Ina an. Ich erwartete den AB , aber sie ging selber dran.
    »Was machst du denn so früh schon in der Redaktion?«, fragte ich verblüfft.
    »Birgit hätte Sendung, sie ist aber krank, und ich springe ein. Und was kann ich für dich tun um diese Zeit?«
    Ich sagte ihr, dass ich einen Raum brauchte, in dem ich mir mit ein paar Leuten ungestört eine DVD ansehen konnte.
    »Hat das mit deiner Recherche zu tun?«
    »Ja.«
    Da sie mich so einsilbig nicht kennt, ahnte sie wohl, dass ich nicht mehr dazu sagen konnte oder wollte. Sie würde sich darum kümmern, versprach sie, ich müsste nur bis kurz vor neun kommen, denn danach sei sie bereits im Funkhaus. Ich beglückwünschte mich mal wieder zu meinen Redakteurinnen im Allgemeinen und zu ihr ganz im Besonderen.
    Stefan war gleichfalls schon wach. Ich sagte ihm, ich sei ab neun im WDR in der Budengasse. Wenn er bei der Produktion dabei sein wolle, könne er sich an der Pforte mit mir treffen.
    »Hä?«
    »Um neun in der Budengasse. An der Pforte. Ich liebe dich!« Bevor er nachfragen konnte, hängte ich ein.
    Ich steckte die DVD ein, die ich unter meinem Türvorleger gebunkert hatte, und klingelte bei Hertha, die gerade Kaffee machte. Konnte nicht widerstehen und setzte mich kurz an den Tisch. Sie stellte mir eine Tasse und den Aschenbecher hin.
    »Und, wie isses gelaufen?«
    »Picobello. Ein Profi ist eben ein Profi.«
    »Und hat’s was gebracht?« Sie schenkte mir ein, ich zündete mir eine Kippe an und trank erst mal genüsslich einen Schluck Kaffee.
    »Ja. Ist in deinem Briefkasten. Lass es bitte einfach drin, okay? Fass es nicht an, sonst sind deine Fingerabdrücke drauf.«
    »Wieso hab ich nur Kriminelle als Freunde?«
    »Muss an dir liegen.«
    Sie stieß mich in die Seite, worauf mein Kopf protestierte. Sie bemerkte es und fragte, wie es mir ging.
    »Besser«, erwiderte ich knapp, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und trabte los. Guckte kurz in den Briefkasten – alles noch da. Das Rad ließ ich stehen, dafür tat mir mein edles Haupt doch noch zu weh.
    Um Viertel vor acht stand ich bei Ina auf der Matte. Sie führte mich in das Büro ihrer kranken Kollegin und fuhr deren Rechner für mich hoch. Schrieb mir zur Sicherheit das Passwort auf, falls er zwischendrin den Geist aufgab.
    »Ich bin im Funkhaus«, meinte sie noch, »Hanna weiß Bescheid, dass du hier mit ein paar Leuten arbeitest. Falls jemand fragt. Viel Glück!«
    Unten an der Pforte wartete schon Stefan auf mich. Ich fiel ihm um den Hals.
    »Tut’s noch sehr weh?«, wollte er wissen. Er klang ehrlich besorgt. Es tut so gut, wenn es jemanden gibt, der sich Sorgen um einen macht. Und dabei so verdammt cool aussieht.
    »Geht so«, erwiderte ich, die Tapferkeit in Person. Auf dem Weg zum Campi erzählte ich ihm von dem Einbruch und, bevor er hysterisch reagieren konnte, von der DVD . Was ihn, wie erwartet, zum Verstummen brachte. »Ich wollte«, murmelte ich verlegen, »dass du dabei bist, wenn wir uns die ansehen. Du musst nicht hingucken, ich ertrage es bloß eher, wenn ich weiß, dass du da bist.«
    »Ja, klar«, erwiderte er mit rauer Stimme. Er hatte, merkte ich, genauso viel Schiss davor wie ich. Ich nahm seine Hand. Er zog mich an sich. »Du
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