Endstation Oxford
trotzdem hätte sie sich gewünscht, für diesen besonderen Anlass etwas Neues kaufen zu können.
»Über Peter weiß ich nur sehr wenig«, bemerkte sie.
»Er verkauft Bücher. Sein Vater spielte einst mit Matthew Golf. Seine Mutter ist mehr für Bridge, spielt aber anscheinend ziemlich miserabel.«
»Er verkauft Bücher?«, hakte Adela nach.
»Secondhandbücher«, erklärte Muriel verächtlich. »Mir ist schleierhaft, wie er davon leben kann.«
»Bücher«, wiederholte Adela gedankenverloren.
Muriel schniefte, nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte ihre Oberlippe damit ab. »Also wirklich, Adela, allmählich mache ich mir ernsthafte Sorgen um dich. Du scheinst in letzter Zeit ein wenig verwirrt zu sein. Wir sprachen gerade über Peter Hume und seine Unfähigkeit, die gute Estelle zu ernähren. Wie mag sein Geschäft in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten laufen?«
»Oh ja, wem sagst du das? Mit meiner Rente kann ich auch keine großen Sprünge mehr machen«, seufzte Adela.
»Ich glaube, das Gefühl hat jeder von uns. Allerdings denke ich, dass es nicht mehr lange so weitergeht. Spätestens im Frühjahr geht es wieder bergauf, du wirst sehen. Ob die Leute dann allerdings schon wieder so unnützes Zeug wie Bücher kaufen, wage ich zu bezweifeln.«
»Wenn sich nicht bald etwas ändert, muss ich mich von meinem Weinhändler verabschieden«, sagte Adela traurig.
»Im Supermarkt gibt es auch ganz gute Tröpfchen«, tröstete Muriel. »Du bist zu verwöhnt, Adela. Und weil wir gerade vom Sparen sprechen: Findest du nicht, dass du endlich dieses Riesenhaus verkaufen solltest? Allein das Heizen im Winter kostet doch sicher ein Vermögen. Du solltest in eine bequeme, moderne Wohnung ziehen, wie ich es getan habe.«
»Lieber nicht«, antwortete Adela und wünschte, Muriel würde sich nicht ständig in ihr Leben einmischen. Sie tut das nur, weil sie neidisch auf mein schönes Haus ist, dachte sie. Wenn die anderen mich endlich in Ruhe ließen, könnte ich auch glücklich sein. Ich brauche doch nur genügend Geld für meinen täglichen Bedarf. Ist das wirklich zu viel verlangt?
»Aber richtige Sorgen musst du dir eigentlich nur um die steigende Kriminalitätsrate machen«, fuhr Muriel fort. »In schwierigen Zeiten brennen sogar bei unbescholtenen Bürgern manchmal die Sicherungen durch.«
»In North Oxford bestimmt nicht.«
»Gerade in den besseren Vierteln. Jedenfalls solltest du Fenster und Türen immer sorgfältig schließen, Adela. Und niemals Fremde ins Haus lassen!«
Portia, die fotogen neben einem Rosenbogen posierte, war sich der bewundernden Blicke der anderen Hochzeitsgäste durchaus bewusst. Juliet hingegen platzte fast aus ihrem Kleid. Auch ihre Mutter war dicker geworden. Sie sah aufgequollen aus wie ein zu heiß gewordenes Würstchen. Portia hatte sich kurz gefragt, ob vielleicht ein neues Baby unterwegs war, aber ihre Eltern starrten sich in letzter Zeit so finster an und stritten sich so oft, dass sie es kaum für wahrscheinlich hielt.
Ihre nagelneue Tante war da ein ganz anderes Kaliber und ein viel besseres Vorbild. Estelle Livingstone war groß und schlank. Ihr hübsch geschminktes Gesicht glänzte keineswegs rot verschwitzt, und ihrer angenehmen Stimme lauschte man gern. Im Schlafzimmer hatte Portia heimlich geübt, es ihr gleichzutun.
Ihre Mutter trug an diesem Morgen ein sehr hübsches Kleid. Ihre Schuhe waren fast neu, was man von der Fußbekleidung des Vaters nicht behaupten konnte. Er trug Slipper, die vorn abgestoßen und hinten krumm getreten waren und ihn wie einen Verlierer aussehen ließen.
Weil sich ihre Mutter gerade mit den Blütenblättern beschäftigte und nicht hinsah, wagte Portia mit ihren neuen Lederballerinas einen gezielten Tritt gegen Juliets Knöchel.
Natürlich brüllte Juliet sofort ihren Hass auf die große Schwester lauthals heraus. Leider dauerte der Spaß nicht lange. Die Mutter beugte sich zu Portia hinunter.
»Mir ist es ganz egal, ob euer Onkel Peter heute heiratet – wenn ihr euch nicht sofort benehmt, setzt es was. Und zwar nicht zu knapp!«
»Nicht so laut, Juliet«, mahnte Portia tugendsam, als Juliet nicht aufhörte zu heulen.
Vor der Kirche hielt ein großer Wagen mit schnurrendem Motor.
Souverän und schlank wie eine Tanne blieb Esmée Livingstone auf ihrem Weg zu den vorderen Bänken bei der kleinen Gruppe stehen.
»Estelle wird innerhalb der nächsten drei Minuten hier sein«, bemerkte sie mit befehlsgewohnter Stimme. Für
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