Endstation Oxford
verschlungen hätte.
»Meinst du wirklich?«, fragte Adela zweifelnd.
»Sie beide haben den Kerl doch sicher auch gekannt, oder?« Edgar sah die beiden Akins an.
»Er kam manchmal in unseren alten Laden an der North Parade Avenue«, antwortete Frances. »Ich glaube, wir konnten ihm den einen oder anderen Titel besorgen, aber eigentlich war er nicht an Secondhandbüchern interessiert.«
»Er sah sich gern als großen Büchersammler, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob er das nötige Fachwissen mitbrachte«, erklärte Edgar, während er den letzten Rest Soße mit einem Stück Brot auftupfte. »Ihm ging es mehr um Quantität. Für Qualität hatte er leider kein Händchen, das war nicht seine Stärke.«
»Ich habe mich mein Leben lang darauf verlassen, dass Victor wirklich über alles Bescheid wusste«, klagte Adela. »Ich war vollkommen von ihm abhängig, und eigentlich bin ich es immer noch.«
»Wenden Sie sich ruhig an uns, wenn Sie irgendwelche Hilfe brauchen«, bot Frances an. »Einer von uns kommt dann so schnell wie möglich. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.«
»Mieser Kerl«, knurrte Edgar. Er war des Themas längst müde, winkte den Kellner heran und fragte, ob noch etwas von dem »ganz ausgezeichneten Rindfleisch« übrig sei. Sofort wurde ein weiterer, üppig gefüllter Teller aufgetragen. Vielleicht kannte Estelle den Appetit ihres Cousins und hatte dafür gesorgt, dass in der Küche ausreichend Nachschub wartete.
Beim Anblick von Edgars Nachschlag kniff Ben Akin die Lippen zusammen. Demonstrativ legte er sein Besteck ordentlich auf seinen Teller. Frances schob ihre Essensreste an den Tellerrand, ehe sie das Gleiche tat. »Es schmeckt wirklich gut, aber es ist einfach zu viel«, sagte sie.
Adela hatte die Kritik an ihrem Mann schon wieder vergessen. »Ist das nicht ein schöner Tag?«, rief sie. Von allen Seiten wurde Zustimmung gemurmelt. »Ich liebe Hochzeiten. Erst gestern habe ich meinen Enkel aufgefordert, sich ein nettes Mädchen zum Heiraten zu suchen. Er ist so ein hübscher Junge! Ich weiß gar nicht, warum er noch immer allein ist.«
Edgar hatte sich inzwischen mit gleich zwei Desserts versorgt, einer Erdbeer-Baiser-Creme und einer Schokoladenmousse. Die beiden Akins senkten missbilligend den Blick auf ihre Teller. Edgar wischte sich die letzten Schokoladenspuren von den Lippen und stieß einen zufriedenen Seufzer aus.
»So lecker er sein mag, aber ich glaube, ich schaffe meinen Nachtisch nicht«, erklärte Frances.
»Kein Problem, geben Sie her«, sagte Edgar, streckte seine fleischige Hand aus und wartete auf den Teller. Dann wandte er sich wieder an Adela. »Dein Mann war ein ganz schöner Tyrann. Du hättest bei Matthew bleiben sollen. Zwar hat er nicht so gut verdient wie Victor, aber er ist viel netter zu seiner Frau und seiner Tochter.« Er stopfte sich einen Löffel Sherry getränkter Erdbeeren in den Mund und lächelte selig.
Adela fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Aber Matthew war doch viel zu jung, genau wie ich! Wir hätten keinesfalls heiraten können. Und wo hätten wir wohnen sollen? Victor hingegen war bereits arriviert.«
»Wen interessiert mit zwanzig, ob jemand arriviert ist?«
Aber Adela gehörte offenbar zu denjenigen, die es interessiert hatte. »Nach Victors Tod meinte Matthew, dass ich jetzt die Chance hätte, mein eigenes Leben zu leben. Aber da hatte ich längst die Lust darauf verloren.«
»Haben Sie je daran gedacht, Victors Bücher zu verkaufen?«, erkundigte sich Ben.
»Aber nein«, wehrte Adela ab, »das könnte ich nicht.«
»Sollten Sie Ihre Meinung je ändern, stehen wir Ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite«, sagte Frances. »Einer von uns ist während der Öffnungszeiten immer im Laden zu erreichen.«
»Ich glaube kaum, dass das nötig sein wird«, erklärte Adela.
»Du hast nicht alle Tassen im Schrank, Adela«, brummte Edgar und schloss die Augen.
Falls er jedoch gehofft hatte, vor den Tischreden noch ein Schläfchen machen zu können, hatte er sich getäuscht. Estelles ausgeklügelter Zeitplan kannte keine Gnade.
Das Stimmengemurmel ringsum wurde heiterer und lauter. Nur Charley Hispers Organ dröhnte grollend über alle hinweg.
»Der gute alte Charley. Wieder mal voll wie eine Haubitze«, bemerkte Tim, der Lebensgefährte einer der Autorinnen, grinsend.
Aus allen Ecken waren beschwichtigende »Pst«-Laute zu hören, die Charley jedoch nicht beeindruckten. Lauthals rief er einen Kellner herbei, der sein Weinglas nachfüllen
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