Endstation Oxford
…«
Auf den Tischen unter dem Zeltdach glänzte das silberne Besteck, und die Gläser funkelten. Makellos gekleidete Kellner und Kellnerinnen warteten darauf, den ersten Gang servieren zu dürfen.
Kate und Jon fanden ihre Plätze. Anhand der Platzkarten konnte Kate erkennen, dass man sie mit zwei von Estelles Autorinnen und ihren jeweiligen Begleitern an einen Tisch gesetzt hatte. Außerdem saß ein gewisser Edgar Livingstone bei ihnen, der wahrscheinlich zu Estelles Verwandtschaft gehörte, ein Paar namens Ben und Frances Akin, das Kate unbekannt war, sowie eine Mrs Adela Carston.
Nachdem die anderen Autorinnen Platz genommen hatten, war schnell Gesprächsstoff gefunden. Die Unterhaltung drehte sich hauptsächlich um Literatur und das Verlagswesen. Kate musste jedoch feststellen, dass das unbekannte Paar ihr gegenüber sie irritierte. Ihr Blick glitt von Ben zu Frances und wieder zurück. Die beiden sahen sich unglaublich ähnlich. Was ihre Größe, ihren Teint, ja sogar ihre Mimik betraf, glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Beide wirkten typisch englisch. Sie könnte aus einem Film der 1930er Jahre stammen, dachte Kate. Ben Akin trug einen dunklen Anzug, Frances ein ebenso dunkles Kleid mit passendem Blazer. Beide hatten die gleichen blassblauen Augen, das gleiche aschblonde Haar und den gleichen pedantischen Zug um den Mund. Frances war vielleicht ein oder zwei Jahre jünger als Ben.
»Mein Bruder und ich führen eine Buchhandlung in Oxford«, beantwortete Frances gerade die Frage einer der Autorinnen. »Ben kennt sich in der Literatur deutlich besser aus als ich, ich hingegen habe eher ein praktisches Händchen, kümmere mich um die Buchführung und darum, dass er nicht zu viel ausgibt.«
Neben Ben saß eine kleine, ältere, fliederfarben gekleidete Dame, neben Frances ein Mann, der seine Serviette bereits in den Kragen gesteckt hatte und mit erhobenem Kopf und bebenden Nasenflügeln auf das Essen wartete. Sein Alter war schwer zu bestimmen. Er hatte eine rosige Gesichtshaut und glich einem Rokokoengel. Das muss Edgar Livingstone sein, dachte Kate. Und bei der Dame ihr gegenüber handelte es sich um Adela Carston, die Frau, die im Kirchhof hinter ihr gegangen war.
»Exquisit«, säuselte Adela, während sie das cremefarbene Rosengesteck auf dem Tisch betrachtete.
»Wirklich hübsch«, stimmte Frances Akin zu. »Genau wie das Kleid der Braut. Und ich nehme an, das Essen wird diesem opulenten Standard entsprechen.« Ihr Ausdruck ließ darauf schließen, dass Opulenz etwas war, was die Geschwister Akin um jeden Preis zu vermeiden suchten.
»Schön, Sie hier zu sehen, Ben und Frances. Ich nehme an, alle anderen sind Freunde von Estelle«, wandte sich Adela an die Tafelrunde. »Sie ist doch wirklich ein nettes Mädchen, nicht wahr? Ich bin übrigens eine sehr alte Freundin ihres Vaters«, fuhr sie fort. »Matthew und ich haben uns während des Krieges in London kennengelernt, als ich noch ein junges Mädchen war. Ein wirklich netter Mann! Wir blieben auch in Verbindung, nachdem ich Victor und er Esmée geheiratet hatte. Damals lebten wir alle in North Oxford. Erst nach der Geburt der kleinen Estelle zogen Matthew und Esmée in dieses Dorf hier.«
»Vermutlich mit dem ganzen Mund voller Silberlöffel«, raunte Ben seiner Schwester zu, allerdings nicht so leise, dass Kate es nicht gehört hätte.
»Jakobsmuscheln«, seufzte Edgar verzückt beim Anblick des ersten Gangs. Nur Adela hatte sich für Suppe entschieden, alle anderen genossen ihre sautierten Muscheln. Nachdem er seinen Teller in Windeseile geleert hatte, blickte Edgar hoffnungsvoll auf, als wünsche er einen Nachschlag. Estelles Autorinnen fassten ihre Analyse des Verlagswesens zusammen, während Jon und die beiden anderen Herren eingehend das Thema Fußball erörterten.
Nachdem Adela mit ihrer Suppe fertig war, bedachte sie Edgar mit ihren Monologen, ohne offenbar zu bemerken, dass er sich ausschließlich für sein Essen interessierte. Während des gesamten Menüs hörte Kate dann und wann ihre Stimme, die Anekdoten aus ihrem Leben zum Besten gab.
»Bücher«, erklärte die alte Dame irgendwann ihrem desinteressierten Tischherrn, »Bücher waren für meinen Mann einfach alles. Erinnerst du dich noch an Victor, Edgar? Die Leute sagen, er wäre bibliophil gewesen.«
»Bibliophag«, entgegnete Edgar und verdrückte eine hübsch in Form gebrachte Karotte, auf der er herumkaute, als wolle er demonstrieren, dass Victor seine Bücher am liebsten
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