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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Gebet, und ich wollte mir nicht angewöhnen, zu dem Mädchen zu beten, mit dem ich vier Jahre gereist war, das ich beschützt, mit dem ich gegessen und gestritten hatte.
    Nichtsdestotrotz, dachte ich, hättest du mich an einen einfacheren Ort schicken können, Spatz. Das heißt, wenn du in diesem Punkt ein Wörtchen mitzureden hattest.
    Donner grollte, aber kein Blitz erhellte die Szene. Das Kajak schwankte und sackte ab, der zertrümmerte Bug kippte plötzlich. Ich streckte die Arme hinter mir aus und suchte nach dem dicken Ast, den mir frühere Blitzschläge gezeigt hatten. Es gab abgebrochene Äste im Überfluss, spitze zersplitterte Stängel von Palmwedeln, und die messerscharfen Kanten der Palmwedel selbst. Ich klammerte und zog und versuchte, mein gebrochenes Bein aus dem eingedrückten Cockpit des Kajaks zu bekommen, aber die Äste waren lose, und ich schaffte es nur halb heraus, wobei mir schwindlig vor Übelkeit aufgrund der Schmerzen wurde. Ich bildete mir ein, dass schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten, aber die Nacht war so dunkel, dass es keine Rolle spielte. Ich erbrach mich über die Seite des schwankenden Kajaks und versuchte wieder, einen festen Halt an den gesplitterten Ästen zu finden.
    Wie, zum Teufel, bin ich überhaupt auf diese Baumwipfel gekommen?
    Das spielte keine Rolle. Nichts spielte im Moment eine Rolle, davon abgesehen, dass ich mich aus dieser Masse von gebrochenem Fiberglas und verknäulten Leichentuchfetzen befreien musste.
    Schnapp dir dein Messer, und schneide dich aus diesem verschlungenen Dickicht heraus.
    Mein Messer war nicht mehr da. Mein Gürtel war nicht mehr da. Die Taschen meiner Jacke waren abgerissen, die Weste selbst zu ein paar Stoffstreifen zerfetzt worden. Mein Hemd war so gut wie nicht mehr da.
    Die Flechettepistole, die ich wie einen Talisman gegen das Tintenfisch-Ding gehalten hatte, war nicht mehr da... ich erinnerte mich vage daran, und an meinen Rucksack, der herausgefallen war, als der vorbeiziehende Tornado das Parasegel zerfetzt hatte. Kleidung, Lasertaschenlampe, Rationen – alles war verschwunden.
    Blitze zuckten, obwohl sich das Donnergrollen weiter entfernt hatte.
    Mein Handgelenk funkelte in dem Wolkenbruch.
    Komlog. Dieses gottverdammte Band musste unzerstörbar sein.
    Was konnte mir das Komlog nützen? Ich war nicht sicher, aber es war besser als nichts. Ich hob im trommelnden Regen die linke Hand an den Mund und brüllte: »Schiff! Komlog an... Schiff! He!«
    Keine Antwort. Ich erinnerte mich, wie das Gerät Überladungswarnungen während des Gewitters auf der Jupiter-Welt geblinkt hatte. Unerklärlicherweise verspürte ich ein Gefühl des Verlusts. Das Gedächtnis des Schiffs in dem Komlog war bestenfalls ein Fachidiot gewesen, aber es hatte mich lange Zeit begleitet. Ich hatte mich an seine Gegenwart gewöhnt. Und es hatte mir geholfen, das Landungsboot zu fliegen, das uns von Fallingwater nach Taliesin West gebracht hatte. Und...
    Ich schüttelte die nostalgische Erinnerung ab und suchte wieder um mich schlagend nach einem Halt, bis ich schließlich die Halteseile zu fassen bekam, die wie Lianen ringsum herabhingen. Das half. Die Fetzen des Parasegels mussten sich fest in den oberen Ästen verhakt haben, und einige der Seile hielten mein Gewicht, als ich mit dem linken Fuß gegen rutschiges Fiberglas trat, um das abgestorbene Bein aus dem Wrack zu ziehen.
    Durch die Schmerzen wurde mir wieder einige Momente schwarz vor Augen – es war so schlimm wie der Nierenstein im schlimmsten Stadium, nur in unregelmäßigen Schüben –, aber als ich wieder klar denken konnte, klammerte ich mich an den spiralförmig umrankten Stamm einer Palme, statt in dem Wrack zu liegen. Ein paar Minuten später wehte eine leichte Windbö durch das Blätterdach, und die Trümmer des Kajaks fielen, manche wurden von den noch unversehrten Seilen gehalten, andere brachen krachend in die Dunkelheit.
    Was nun?
    Auf die Dämmerung warten, schätze ich.
    Und wenn es auf dieser Welt keine Dämmerung gibt?
    Dann darauf warten, dass die Schmerzen nachlassen.
    Warum sollten sie nachlassen? Der gebrochene Oberschenkelknochen bohrt sich offensichtlich in Nerven und Muskeln. Du hast hohes Fieber.
    Gott weiß, wie lange du hier bewusstlos in Regen und nasser Pflanzenmasse gelegen hast, während deine Wunde für jede Killermikrobe offen war, die eindringen wollte. Es könnte zu Wundbrand kommen. Der Gestank von verrottender Vegetation, den du wahrnimmst, das könntest du

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