Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
über der tosenden, grauen Oberfläche einer Flut, die mit einer sichtbaren Strömung zwischen den spiralförmigen Stämmen dahintrieb. Es war immer noch so dunkel wie in tiefster Dämmerung. Es wäre denkbar gewesen, dass ich den ganzen Tag hindurch geschlafen hatte und vor einer weiteren endlosen Nacht stand. Es regnete immer noch, aber es war wenig mehr als ein Nieseln. Die Temperatur war tropisch warm, aber mit meinem Fieber schwer abzuschätzen, die Luftfeuchtigkeit lag bei nahezu hundert Prozent.
Der ganze Körper tat mir weh. Es fiel mir schwer, die dumpfe Qual des gebrochenen Beins von den Schmerzen in Kopf und Rücken und Eingeweiden zu trennen. Mein Schädel fühlte sich an, als wäre eine Kugel Quecksilber darin, die sich lange Sekunden, nachdem ich den Kopf gedreht hatte, träge mitdrehte. Das Schwindelgefühl weckte wieder Übelkeit in mir, aber ich hatte nichts mehr in mir, um mich zu erbrechen. Ich hing auf dem Geflecht der Äste und dachte über die Herrlichkeit des Abenteuers nach.
Wenn du das nächste Mal etwas zu erledigen hast, Spatz, schick A. Bettik.
Das Licht schwand nicht, wurde aber auch nicht heller. Ich verlagerte meine Position und betrachtete das vorbeiströmende Wasser: Es war grau, von Strudeln zerrissen und brachte Fetzen von Palmwedeln und abgestorbener Vegetation mit sich. Ich schaute auf, konnte aber keine Spur von dem Kajak oder Parasegel sehen. Fiberglas oder Stoff, die im Verlauf der langen Nacht hinuntergefallen waren, waren längst fortgespült worden.
Es sah aus wie eine Flut, wie das im Frühling ablaufende Wasser in den Mooren über der Toschahibucht auf Hyperion, wo der Schlick für ein ganzes weiteres Jahr abgelagert wurde, eine vorübergehende Überschwemmung, aber ich wusste, dass dieser unter Wasser stehende Wald, diese endlosen Sümpfe des versunkenen Dschungels hier auch gut und gerne ein Dauerzustand sein konnten. Wo auch immer hier ist.
Ich studierte das Wasser. Es war trübe, flockig wie saure Milch und hätte wenige Zentimeter oder viele Meter tief sein können. Die im Wasser stehenden Baumstämme lieferten keinen Anhaltspunkt. Die Strömung war schnell, aber nicht so schnell, dass sie mich mitgerissen hätte, wenn ich mich gut an den Ästen festhielt, die tief über der tosenden Wasseroberfläche lagen. Mit ein wenig Glück gab es keine hiesigen Äquivalente der Schlammzysten, Draculazecken oder Beißgarren der Sümpfe Hyperions, und ich konnte vielleicht waten... irgendwohin.
Zum Waten braucht man zwei Beine, Raul, mein Junge. Für dich sieht es eher so aus, als müsstest du durch den Schlamm hüpfen.
Na gut, dann eben durch den Schlamm hüpfen. Ich ergriff den Ast über mir mit beiden Händen und ließ mich in die Strömung hinunter, während ich das verletzte Bein auf dem breiten Ast hielt, wo ich lag. Das führte zu neuen Qualen, aber ich blieb hartnäckig, senkte meinen Fuß in das schmutzige Wasser, dann Knöchel und Wade, dann das Knie, wobei ich tastete, ob ich stehen konnte... ich spannte Unterarme und Bizeps, und mein verletztes Bein glitt mit einem reißenden Aufwallen der Schmerzen von dem Ast, das mich nach Luft schnappen ließ.
Das Wasser war keine anderthalb Meter tief. Ich konnte auf meinem guten Bein stehen, während mir das Wasser um die Taille floss und auf die Brust spritzte. Es war warm und schien die Schmerzen in meinem gebrochenen Bein zu lindern.
Die vielen netten, saftigen Mikroben in dieser warmen Brühe, viele seit den Tagen der Saatschiffe mutiert. Sie lecken sich die Lippen, Raul, alter Knabe.
»Halt den Mund«, sagte ich verdrossen und sah mich um. Mein linkes Auge war geschwollen und von Schorf verkrustet, aber ich konnte damit sehen. Mein Kopf tat weh.
Endlose Baumstämme ragten auf allen Seiten aus dem grauen Wasser in den grauen Nieselregen; die tropfenden Palmwedel und Äste waren so dunkel graugrün, dass sie fast schwarz wirkten. Links von mir schien es ein klein wenig heller zu sein. Und in dieser Richtung kam mir der Schlamm unter meinem Fuß ein wenig fester vor.
Ich bewegte mich in die Richtung, verlagerte den linken Fuß nach vorne, während ich mich von Ast zu Ast hangelte, mich manchmal unter hängenden Palmwedeln duckte und manchmal zur Seite drehte wie ein Torero in Zeitlupe, um schwimmenden Ästen oder anderem Treibgut auszuweichen. Das Vorankommen in Richtung Helligkeit dauerte Stunden.
Aber ich hatte nichts Besseres zu tun.
Der überflutete Dschungel hörte an einem Fluss auf. Ich klammerte mich am
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